Aufwendungsersatz für bestimmte Abmahnungen ist umsatzsteuerbar - BFH-Urteile XI R 27/14 und XI R 1/17

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte am 21. Dezember 2016 (XI R 27/14) bzw. am 13. Februar 2019 (XI R 1/17) entschieden, dass Aufwendungsersatz, den der Abgemahnte für urheber- oder wettbewerbsrechtliche Abmahnungen zahlt, umsatzsteuerbares Leistungsentgelt sei. Diese Auffassung macht sich das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 1. Oktober 2021 zu eigen und klärt einige Detailfragen. Die wichtigsten werden nachfolgend zusammengefasst.

Einzelheiten der umsatzsteuerlichen Behandlung

Erteilt ein Unternehmer eine Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung oder wegen unlauteren Wettbewerbs, so erbringt er damit eine Leistung an den Abgemahnten. Der wirtschaftliche Vorteil soll für den Abgemahnten darin liegen, dass ihm der Rechtsverstoß zur Kenntnis gebracht wird und er die notwendigen Informationen erhält, um den Unterlassungsanspruch des Abmahnenden zu erfüllen. Ihm werde außerdem die Gelegenheit gegeben, möglichst kostengünstig Geldansprüche des Abmahnenden zu befriedigen bzw. die Kosten eines Unterlassungsprozesses zu vermeiden.

Bemessungsgrundlage für diese Leistung ist alles, was der Abmahnende hierfür vom Abgemahnten erhält, also z. B. der Kostenersatz für die Identifizierung des Rechtsverletzers (z. B. durch Auskunft bei einem Internetprovider). Schadensersatz für die Rechtsverletzung ist allerdings nicht steuerbar. In der Rechnung muss daher zwischen Leistungsentgelt und Schadensersatz unterschieden werden – nur Ersteres ist mit Umsatzsteuer abzurechnen.

Leistungszeitpunkt ist der Zugang der Abmahnung – es soll aber nicht beanstandet werden, wenn der Abmahnende diesen Umsatz bereits im Besteuerungszeitraum der Versendung der Abmahnung erklärt.

Es gilt der Regelsteuersatz von 19 %.

Bestreitet der Abgemahnte die Rechtsverletzung substantiiert und leistet deshalb keinen Aufwendungsersatz, kann der Abmahnende die Umsatzsteuer im Besteuerungszeitraum des Bestreitens nach § 17 Abs. 2 UStG berichtigen.

Im Falle einer unberechtigten Abmahnung stellt eine Rechnung mit Umsatzsteuer einen unberechtigten Steuerausweis nach § 14 Abs. 2 S. 1 UStG dar. Damit schuldet der Abmahnende die ausgewiesene Umsatzsteuer, bis die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt ist. Dies erfordert zum einen den Nachweis, dass der Abgemahnte keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht oder die Vorsteuer zurückgezahlt hat, und zum anderen einen schriftlichen Antrag beim Finanzamt.

Anwendung und praktische Herausforderungen

Das BMF sieht einen Übergangszeitraum vor, der allerdings ausgesprochen kurz ist: Die Finanzverwaltung wird es nicht beanstanden, wenn Abmahnender und Abgemahnter bei Abmahnleistungen, die vor dem 1. November 2021 erbracht werden, den Aufwendungsersatz übereinstimmend als nicht steuerbar behandeln.

Das BMF-Schreiben bezieht sich ausdrücklich nur auf Abmahnungen nach dem UrhG und dem UWG. Wie Abmahnungen in anderen Rechtsgebieten behandelt werden sollen, ist damit offengeblieben.

Die Unterscheidung zwischen Leistungsentgelt und Schadensersatz ist in der Praxis nicht immer einfach. Sie sollte aber sorgfältig getroffen werden, da der Abgemahnte keinen Vorsteuerabzug geltend machen darf, wenn Umsatzsteuer zu Unrecht auf Schadensersatz ausgewiesen wird. Unterbleibt eine solche Aufteilung jedoch gänzlich, ist der Betrag insgesamt als Aufwendungsersatz anzusehen und damit als Entgelt für einen umsatzsteuerbaren und -pflichtigen Leistungsaustausch zu behandeln.

Unberechtigte Abmahnungen dürften keine Seltenheit sein, da der Rechtsverletzer häufig nicht leicht zu identifizieren ist. Die Einstufung dieser Fälle als unberechtigter Steuerausweis macht es für den Abmahnenden kompliziert, hier die Umsatzsteuer aus der irrtümlich ausgestellten Rechnung zu korrigieren. Insofern lohnt sich eine sorgfältige Recherche, um Abmahnungen „ins Blaue hinein“ sowie die sich daraus ergebenen umsatzsteuerlichen Konsequenzen zu vermeiden.

(Stand: 20.10.2021)