OLG Zweibrücken – Formale Anforderungen an den Abschluss eines Wandeldarlehensvertrags

13.09.2022 – Die gerade im Start-up- und Venture-Capital-Umfeld finanzierungsrelevante Frage, ob und wann ein Wandeldarlehen der notariellen Beglaubigung und/oder Beurkundung bedarf, ist noch immer nicht abschließend gerichtlich geklärt. Das OLG Zweibrücken dürfte mit einer jüngeren Entscheidung die Diskussionen über die Formbedürftigkeit befeuert haben. Die Entscheidung erhöht auch das persönliche Haftungsrisiko für Geschäftsführer im Fall einer späteren Insolvenz der Gesellschaft deutlich.

Sachverhalt

Der Insolvenzverwalter nimmt den beklagten Geschäftsführer einer Gesellschaft auf Schadensersatz gemäß § 64 S. 1 GmbHG a. F. (§ 15b InsO n. F.) i. V. m. § 80 Abs. (1) InsO für durch die Gesellschaft ab Februar 2016 geleistete Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife in Anspruch. Ende Juli hatte die Gesellschaft zwei im Wesentlichen gleichlautende privatschriftliche Wandeldarlehensverträge mit gesellschaftsfremden Dritten abgeschlossen. Die Verträge enthielten eine Wandlungsverpflichtung der Darlehensgeber für den Fall eines Mittelzuflusses in Höhe von mindestens 1 Mio. € (im Venture-Capital-Bereich oftmals als sog. qualifizierte Finanzierungsrunde bezeichnet) sowie ein jederzeitiges Wandlungsrecht des Darlehensgebers bis zum Ablauf der vereinbarten Laufzeit am 31. Dezember 2018. Daneben enthielten die Verträge auch eine marktübliche Rangrücktrittsvereinbarung. Nachdem ein Darlehensgeber Mitte Dezember 2015 von seinem Wandlungsrecht Gebrauch gemacht hatte, machten der Beklagte und der Mehrheitsgesellschafter die formale Unwirksamkeit der Wandeldarlehen geltend mit der Folge, dass die Darlehensgeber deren Rückzahlung verlangten. Eine Rückzahlung erfolgte nicht.

Entscheidung

Während das erstinstanzliche Landgericht Frankenthal (Urteil vom 26. Februar 2019 – 7 O 22/18) die Klage abgewiesen hat mit – insbesondere – der Begründung, dass keine Zahlungsunfähigkeit vorlag, weil die Darlehensgeber keine sofortige Rückforderung der Darlehen aus § 812 Abs. (1) S. 1 Alt. 1 BGB mangels Formunwirksamkeit verlangen konnten, gab das Oberlandesgericht Zweibrücken (Urteil vom 17. Mai 2022 – 8 U 30/19) der Klage statt. Zum einen habe eine insolvenzrechtliche Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. (2) InsO vorgelegen und das Gericht habe keine positive Fortführungsprognose, für die der Geschäftsführer darlegungs- und beweisbelastet sei, feststellen können. Zum anderen lag nach Auffassung des Oberlandesgerichts aber auch eine Zahlungsunfähigkeit vor, weil ein Wandeldarlehen nicht formwirksam abgeschlossen worden sei; und die Formnichtigkeit gemäß § 125 S. 1 BGB erfasse gemäß § 139 BGB das gesamte Vertragswerk, weil „der Darlehensvertrag zu derart günstigen Zinskonditionen von 2,5 % nicht von der Wandlungsregelung für die Darlehensgeber getrennt betrachten werden kann und damit die Vermutungswirkung des § 139 BGB eingreift“.

Beglaubigungs-/Beurkundungspflicht bei Wandeldarlehen

Das Oberlandesgericht entschied, dass der Darlehensvertrag mit Wandlungsverpflichtung des Darlehensgebers gemäß § 55 Abs. (1) GmbHG einer notariell aufgenommenen oder beglaubigten Erklärung des Übernehmers bedurft hätte, weil der Übernehmer eine gesellschaftsfremde Person gewesen sei (so auch OLG München, Urteil vom 4. Mai 2005 – 23 U 5121/04). Irrelevant sei, dass die Voraussetzungen der Wandlungsverpflichtung nicht eingetreten seien, weil die Übernahmepflicht eingegangen worden sei. Das erstinstanzliche Landgericht hatte hierzu die Auffassung vertreten, dass der Vertrag mit der Verpflichtung, an einer zukünftigen Kapitalerhöhung teilzunehmen, als Vorvertrag nicht der Form des § 55 Abs. (1) GmbHG (analog) bedürfe.

In einer Art obiter dictum äußerte sich das Oberlandesgericht auch zu der nicht entscheidungserheblichen Frage, ob die Wandeldarlehensvereinbarung noch aus anderen Gründen (form-)nichtig war. Diesbezüglich konnte sich der Senat offenbar den Hinweis nicht verkneifen, dass nach seiner Ansicht vieles für eine Pflicht zur notariellen Beurkundung (des zugrunde liegenden Gesellschafterbeschlusses) nach § 53 Abs. (2) GmbHG spreche, wenn der Wandeldarlehensvertrag mit einseitiger Wandlungsoption (für den Darlehensgeber) im Fall der Ausübung des Wandlungsrechts eine für die Gesellschaft verbindliche satzungsändernde Kapitalerhöhung vorsieht.

Bedeutung für die Praxis

Wenngleich die Rechtskraft des Urteils noch nicht bestätigt ist, sollten die Entscheidungsgründe Anlass für erhöhte Aufmerksamkeit sein:

  1. Wandeldarlehen mit bestehenden Gesellschaftern, die eine Wandlungsverpflichtung enthalten, bedürfen als Vorvertrag – unstreitig – keiner notariellen Beglaubigung gemäß § 55 Abs. (1) GmbHG (analog). Im Fall von gesellschaftsfremden Dritten bejaht das Oberlandesgericht Zweibrücken die Pflicht zur notariellen Beglaubigung. Wenngleich dies nicht überzeugt, weil § 55 Abs. (1) keine Warnfunktion für den Übernehmer, sondern nur eine Publizitätsfunktion hat, die für einen Vorvertrag nicht greift, ist die OLG-Rechtsprechung bei der Entscheidung über die Form zu berücksichtigen.
  2. Das OLG Zweibrücken geht offenbar davon aus, dass die Verpflichtung zur Kapitalerhöhung bei der Gesellschaft im Wandeldarlehensvertrag als Folge der Ausübung einer einseitigen Wandlungsoption für den Darlehensgeber eine notarielle Beurkundung (des zugrunde liegenden Gesellschafterbeschlusses) nach § 53 Abs. (2) GmbHG erfordert hätte. Auch dies ist zweifelhaft, weil sich aus § 53 Abs. (2) GmbHG nicht herleiten lässt, dass weitere, an sich beurkundungsfreie Vereinbarungen (wie hier die Vorvereinbarung in Form des Wandeldarlehens) beurkundungsbedürftig werden (sog. Vollständigkeitsgrundsatz).
  3. Besonders praxisrelevant ist auch die Feststellung des Oberlandesgerichts, dass eine Formunwirksamkeit eines Wandlungsrechts das gesamte Vertragswerk erfasse und nicht in verschiedene selbstständige Vertragsteile (Darlehensvertrag und Wandlungsregelungen) „zerlegt“ werden könne. Wenngleich die Begründung hierfür aus den günstigen Zinskonditionen (2,5 %) hergeleitet wurde, ist unklar, wie das Urteil bei höheren Zinsen ausgefallen wäre. Unabhängig davon scheint die Gesamtnichtigkeit (auch in Bezug auf das Wandlungsrecht) nicht die einzig logische Folge zu sein. Wenn möglich, sollten daher sowohl Darlehensnehmer als ggf. auch Darlehensgeber darauf achten, durch vertragliche Regelungen der ungewollten Folge der Gesamtnichtigkeit entgegenzuwirken.
  4. Ist ein Wandeldarlehen formunwirksam und führt aufgrund der Gesamtnichtigkeit dazu, dass kein Darlehensvertrag (mit Rangrücktritt) vorliegt, so kann dies einen Insolvenzgrund begründen, ohne dass dies dem Geschäftsführer bewusst ist. Dann droht eine Haftung des Geschäftsführers für Zahlungen nach Insolvenzreife gemäß § 15b InsO.

Den in Anspruch genommenen Geschäftsführer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Insolvenzgrund (insbesondere Überschuldung im Sinne von § 19 Abs. (2) InsO) vorlag.

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