Rechnungslegung zunehmend nach internationalen Standards

05.03.2018 | Tanja Stahl
Der Fachbeitrag „Rechnungslegung zunehmend nach internationalen Standards“ wurde von Tanja Stahl in dem Fachmagazin ChinaContact (OWC Verlag) im November 2017 veröffentlicht.

Chinas Rechnungslegungsstandards werden kontinuierlich an internationale Normen angepasst. Die Übernahme der „IFRS 15“ in die chinesischen Rechnungslegungsvorschriften zwingt Unternehmen zum Handeln. Börsennotierte Unternehmen müssen die Vorschriften ab 1. Januar 2018 erfüllen.

Ursprünglich waren die Rechnungslegungsgrundsätze in China vom sozialistischen Gedanken des Staatseigentums geprägt und bestanden im Grunde in einer Darstellung der Vermögenswerte, die einem Unternehmen zur Verfügung standen. Vorgaben zur Darstellung von Verbindlichkeiten fehlten daher ebenso wie Erfassungsvorschriften, die eine Ermittlung des wirtschaftlichen Erfolgs ermöglicht hätten. Ein solches System mochte für Steuerermittlung noch ausreichend sein. Für eine wirksame Unternehmenssteuerung war es jedoch unzureichend. Der Eintritt in den weltweiten Handel und Kapitalmarkt sowie die Öffnung für internationale Investoren machte eine Revision erforderlich, damit Jahresabschlüsse besser verständlich und international vergleichbar sind, nicht zuletzt zum Erhalt und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Volkswirtschaft gegenüber internationalen, marktwirtschaftlich agierenden Unternehmen.

Schon 2006 erließ China ein neues Rechnungslegungsgesetz, das vom chinesischen Finanzministerium in enger Zusammenarbeit mit repräsentativen chinesischen Unternehmen und dem International Accounting Standards Board IASB erarbeitet wurde. In die ursprünglichen Vorschriften der CAS (Chinese Accounting Standards) wurden Bestimmungen der International Financial Reporting Standards (IFRS) eingefügt. Heute ähneln sich die Vorschriften der CAS und der IFRS sehr. Damit ist aus buchhalterischer Sicht dank vergleichbarer Rechnungslegungsvorschriften ein nahezu unbegrenzter Marktzutritt und Informationsaustausch von Unternehmen aus dem Ausland nach China und umgekehrt chinesischer Unternehmen in alle Welt problemlos möglich.

Auch wenn CAS gute Maßstäbe setzt, eine optimale Anwendung durch lokale Buchhalter ist nicht immer gegeben. In einigen Fällen wird die umfassende Anwendung von CAS sogar durch Anforderungen örtlicher Steuerbehörden gemindert. Jahresabschlussangaben chinesischer Unternehmen, insbesondere jener in Privatbesitz, sind daher mit Vorsicht zu betrachten und bei ihrer Verwendung ist besondere Sorgfalt geboten. Ressentiments gegen die chinesischen Regularien zur Rechnungslegung an sich sind unbegründet.

Fortlaufende Modernisierung

Auch wenn seit der Einführung keine neuen Richtlinien aufgenommen wurden, sollen, wie Zhang Shaochun, stellvertretender Finanzminister, Anfang September verlauten ließ, fortlaufende Überarbeitungen und Ergänzungen die Umstellung und Modernisierung des Rechnungslegungswerks vorantreiben. Im Blick standen in diesem Jahr Maßnahmen, mit denen eine umfangreichere und verbesserte Übereinstimmung insbesondere mit den Vorgaben der im Mai 2014 veröffentlichten Änderungen der „IFRS 15“ beabsichtigt waren. Mithilfe der präzisierteren Erhebungsmethoden und Offenlegungspflichten soll es den Abschlussadressaten ermöglicht werden, ein besseres Verständnis für die Art der Verträge und die Höhe und den Realisierungszeitpunkt der daraus resultierenden Erträge zu erhalten – und damit letztendlich auch die Auswirkungen auf den Cash Flow.

Nach Fachmeinung haben die neuen Ergänzungen Auswirkungen darauf, wie und wann ein Geschäft als getätigt zu bewerten ist und erfordert daher von den Unternehmen neue Einschätzungen der Geschäftsprozesse hinter den individuellen Verträgen. Eine Aussage, ob die Umsetzung der neuen Bewertungsvorgaben dabei tendenziell zu einer abweichenden Gewinnrealisierung führen wird, ist im Einzelfall zu beurteilen. Das auch in den CAS umgesetzte Kernprinzip des „IFRS 15“ ist, dass ein Unternehmen Erlöse in der Höhe in seinem Abschluss erfasst, in welcher es erwartet, Gegenleistungen für die Übertragung der Waren oder die Erbringung der Dienstleistungen zu bekommen. Die Unternehmen sollen die Umsatzerlöse entsprechend dem nachfolgenden fünfstufigen Modell erfassen:

  1. Identifizierung des Vertrags beziehungsweise der Verträge mit einem Kunden
  2. Identifikation separater Leistungsverpflichtungen
  3. Bestimmung des gesamten Transaktionspreises aus dem Vertrag
  4. Verteilung des Transaktionspreises auf die separaten Leistungsverpflichtungen
  5. Umsatzrealisierung bei Erfüllung der Leistungsverpflichtungen.

Erfolgt die Erfüllung der Leistungsverpflichtung über einen Zeitraum, so ist auch der Umsatz über einen Zeitraum zu realisieren. Die Realisierung kann anhand des Outputs oder des Inputs des Unternehmens erfolgen, also beispielsweise anhand der bereits an den Kunden übertragenen Wareneinheiten oder der bereits im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung angefallenen Arbeitsstunden auf Seiten des Unternehmens. Erfolgt die Erfüllung der Leistungsverpflichtung hingegen zu einem Zeitpunkt, so hat auch die Realisierung des Umsatzes zu einem Zeitpunkt zu erfolgen. In diesen Fällen erfolgt die Erfassung der Umsatzerlöse nach „IFRS 15“ und nun auch gemäß CAS zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kunde die Kontrolle über die Ware oder die Dienstleistung erhält. Eine weitere Herausforderung bei der Umsetzung dieser Anforderungen wird für viele Unternehmen dabei die Sicherstellung der umfangreicheren Datenerhebung darstellen, die aufgrund der qualitativ und quantitativ gestiegenen Anforderungen des „IFRS 15“ und infolgedessen nun auch nach CAS notwendig werden.

IT-Systeme aktualisieren, Fristen beachten

Sofern ein Unternehmen seine Prozesse nicht bereits IFRS-konform aufgebaut hat, wird daher auch eine Aktualisierung der IT-Systeme unvermeidbar sein. Im Zuge des Vertragsabgleichs empfiehlt sich, neben einer Überprüfung der Verkaufs- und Unterzeichnungsprozesse auch eine Analyse der gegenwärtig verwendeten Vertragsbedingungen und Geschäftspraktiken wie der gewählten Vertriebswege und der angewandten Maßnahmen zur Absatzförderung. Eine Überprüfung, ob Mitarbeiterboni und Prämiensysteme noch adäquat zu den unternehmerischen Zielen ausgerichtet sind, ist zu empfehlen.

Diese neuen Richtlinien sind von Unternehmen, die sowohl in China als auch im Ausland börsennotiert sind oder Gesellschaften, die im Ausland ansässig sind und nach IFRS oder anderen Rechnungslegungsstandards für Business Enterprises notieren, zwingend bis zum 1. Januar 2018 umzusetzen. Für nur in China börsennotierte Gesellschaften gilt der 1. Januar 2020, für alle übrigen Unternehmen der 1. Januar 2021 als Stichtag für die Umsetzung der neuen Rechnungslegungsstandards.

Trotz bereits weitgehender Übereinstimmung mit internationalen Vorschriften und Regeln, darf der Aufwand für die Realisierung der neueren Vorschriften in China nicht unterschätzt werden. Zur Fristwahrnehmung ist angeraten, frühzeitig eine Konformitätsüberprüfung mit den neuen Richtlinien zu starten. Es empfiehlt sich weiterhin, die Prüfung und Implementierung mit Unterstützung eines in China ansässigen Wirtschaftsprüfungsunternehmens und Steuerberaters durchzuführen, da sich durch laufende Ergänzungen und Änderungen der Regelungen durchaus Handlungsbedarf ergeben könnte. Diesen gilt es frühzeitig zu erkennen, um geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.

Autor

Tanja Stahl
Manager German Desk bei Mazars Consulting (Shanghai) Co. Ltd.

Quelle

Publikation: OWC Verlag für Außenwirtschaft GmbH
Ausgabe: ChinaContact 11/2017
Seiten: 46-47

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