Informations- und Wartefrist im Unterschwellenbereich

Das OLG Celle hat sich mit Urteil vom 9.1.2020 (Az. 13 W 56/19) zu der umstrittenen Frage positioniert, ob im Unterschwellenbereich eine mit § 134 GWB vergleichbare Informations- und Wartefrist besteht.

Das Gericht schloss sich der vorinstanzlichen Entscheidung des LG Lüneburg sowie der fast zeitgleich ergangenen Entscheidung des Kammergerichts (KG, Urteil vom 7.1.2020 – 9 U 79/19) an und verneinte das Bestehen einer vergleichbaren Informations- und Wartefrist im Unterschwellenbereich.

Bei dieser Entscheidung stützte es sich vor allem darauf, dass der ursprüngliche Entwurf der UVgO in § 44 eine Informations- und Wartefrist vorgesehen habe, die durch den Gesetzgeber jedoch nicht umgesetzt wurde. Der Gesetzgeber habe sich damit eindeutig gegen eine Informations- und Wartefrist im Unterschwellenbereich entschieden. In Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke könne eine Analogie daher nicht gebildet werden.

Aus diesem Grund sah das OLG Celle auch keine Veranlassung, die vom Verfügungskläger behauptete Pflicht zur Einhaltung einer Informations- und Wartefrist als vertragliche Nebenpflicht aus §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 1 BGB anzuerkennen, da das vorsätzliche Schweigen des Gesetzgebers es den Gerichten untersage, die vermeintliche Lücke durch Richterrecht zu füllen.

Das OLG Celle widerspricht mit dieser Entscheidung bewusst dem Obiter Dictum des OLG Düsseldorf vom 13.12.2017 (Az. 27 U 25/17), das ohne Angabe einer rechtlichen Grundlage eine Informations- und Wartefrist auch im Unterschwellenbereich angenommen hatte und mit dieser Meinung – zu Recht – scharfe Kritik erfahren hatte.

In seiner Entscheidung setzte sich das OLG Celle zudem mit der vom Verfügungskläger unter Verweis auf das OLG Düsseldorf angeführten Rechtsprechung des EuG vom 20.9.2011 (Az. T-461/08) sowie der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.6.2006 (Az. 1 BvR 1160/03) auseinander.

Die Entscheidung des EuG, nach der Bieter vor Abschluss des Vertrags informiert werden sollten, um einen effektiven und vollständigen Rechtsschutz gegen die Willkür des Auftraggebers zu haben, beziehe sich weder auf den Unterschwellenbereich noch auf einen deutschen Fall. Eine Informations- und Wartefrist könne danach höchstens bei Binnenmarktrelevanz angenommen werden. Eine solche läge jedoch im konkreten Fall nicht vor. Das Bundesverfassungsgericht hatte seinerzeit wiederum ausdrücklich die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Informations- und Wartefrist im Unterschwellenbereich verneint und den sekundären Rechtsschutz im Rahmen des Art. 20 Abs. 1 GG (Rechtsschutzgarantie) für ausreichend erachtet.

Insgesamt verschriftlicht das OLG Celle mit dieser Entscheidung die allgemeine Ansicht der Literatur und der Auftraggeber. Es stützt sich dabei vor allem auf das absichtliche Schweigen des Gesetzes, lässt jedoch auch offen, ob bei Vorliegen der Binnenmarktrelevanz nicht doch eine Informations- und Wartefrist bestünde.

Autorin

Theresa Klemm
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