Entscheidung des BVerwG – Untersagungen gewerblicher Altpapiersammlungen rechtswidrig

Nach jahrelangem Rechtsstreit, der sich durch alle Instanzen zog, entschied das BVerwG nun, dass „bestehende gewerbliche Altpapiersammlungen nicht mit dem Ziel untersagt werden dürfen, dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Vergabe dieser Entsorgungsleistungen zu ermöglichen“.

Im Fokus der Urteile des BVerwG vom 28.11.2019 (Az.: 7 C 8.18, 7 C 9.18 sowie 7 C 10.18) liegt somit das Verhältnis öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger mit der privaten Entsorgungswirtschaft, wobei es gilt, die Auswirkungen auf die Abfallwirtschaft näher zu betrachten.

Ausgangspunkt dieses Rechtsstreites stellen die Untersagungserklärungen zweier Landkreise (vorliegend Beklagte) gegenüber den Klägerinnen in deren Funktion als private Entsorgungsfachbetriebe dar. In den betroffenen Landkreisen wurden allein durch die Klägerinnen seit 1992 bzw. 2008 im Holsystem Altpapier gesammelt. Die Untersagungen erfolgten im Hinblick auf die geplante beziehungsweise bereits ins Werk gesetzte Neueinführung von Altpapiersammlungen (Holsystem) in der Verantwortung der Landkreise. Eine solche Untersagung sei nach Aussage des Landratsamtes begründet, da die gewerblichen Sammlungen der Klägerinnen die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gefährden (vgl. VG München, Urt. v. 16.10.2014 – Az. M 17 K 13.377).

Während das Verwaltungsgericht München der Klage stattgab und den Bescheid gem. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO aufhob (s. VG München Urt. v. 16.10.2014 – Az. M 17 K 13.377 und Az. M 17 K 13.1047), hatte die Berufung der Beklagten Erfolg. Mit Urteil vom 12.10.2017 (s. VGH München, Az. 20 B 17.282, Az. 20 B 17.283 sowie Az. 20 BV 16.8) vertrat der Verwaltungsgerichtshof München die Ansicht, dass der ursprüngliche Bescheid des Beklagten rechtmäßig sei und eine Verletzung der Rechte der Klägerin nicht vorläge. Demnach stehe die gewerbliche Sammlung der Klägerin gem. § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1, 2 und 3 Nr. 1 KrWG (Kreislaufwirtschaftsgesetz) überwiegenden öffentlichen Interessen entgegen und verhindere somit dem Beigeladenen, die Erfüllung seiner Pflichten als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger unter wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen. Betont wurde hierbei die Beeinträchtigung des Interesses an Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers durch die Erschwerung einer diskriminierungsfreien und transparenten Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb gem. § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 KrWG.

Mit ihrer Revision hatten die privaten Entsorgungsunternehmen nun jedoch Erfolg. So änderte das BVerwG die Urteile und hob die Untersagungsbescheide auf. Nach Beurteilung des BVerwG habe sich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, anders als bei neu hinzutretenden gewerblichen Sammlungen, auf Bestandssammlungen eingestellt, wodurch seine Funktionsfähigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt werde. Interessant ist hierbei auch die abweichende Beurteilung des BVerwG zur Vergabe von Entsorgungsleistungen. Ging der VGH München noch von einer Erschwerung der Vergabe durch die gewerbliche Sammlung (Holsystem) der Klägerin aus, stellt das BVerwG klar, dass im vorliegenden Fall die Vergabe nicht erheblich erschwert oder unterlaufen wird. Das KrWG sehe nicht vor, den Wettbewerb im Markt durch einen Wettbewerb um einen im Sinne eines „Systemwechsels“ zu ersetzen (s. Pressemitteilung Nr. 91/2019). Die Veröffentlichung der Begründung gilt es noch abzuwarten.

Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Folgen sich durch das Urteil für die öffentlich-rechtliche Entsorgung und die private Entsorgungswirtschaft ergeben werden. Die Rolle privater Entsorgungsunternehmen wurde insoweit zulasten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gestärkt. Das Urteil kann praktische Auswirkungen auf die zukünftige Gebührenentwicklung haben. Erlöse aus der Verwertung von Wertstoffen (vorliegend PPK) stellen Einnahmen der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger dar, die sich bisher kostensenkend auf die Gebühren auswirken.