Zu hohe Eingruppierung: Unzulässige Begünstigung von Personalratsmitgliedern

Personalratsmitglieder übernehmen in ihrer Funktion vielschichtige Aufgaben und stellen sich im beruflichen Alltag komplexen Herausforderungen. Im Fokus steht hierbei die Interessenvertretung der Beschäftigten gegenüber der Dienststellenleitung.

In diesem Sinne gilt das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot, um sowohl die innere als auch äußere Unabhängigkeit von Personalratsmitgliedern zu garantieren und maßgeblich Nachteile sowie Begünstigungen, die im Rahmen des Amtes entstehen, zu verhindern.

Unter Berücksichtigung des Begünstigungsverbots hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urt. v. 23.10.2019 (Az. 17 Sa 2297/18) nun entschieden, dass die Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs eines freigestellten Personalratsmitglieds nicht rechtens war. Somit durfte der Arbeitgeber die Korrektur einer ursprünglich zu hohen Eingruppierung ohne Änderungskündigung in eine niedrigere Entgeltgruppe vornehmen. Entsprechendes galt für die Gewährung pauschaler Stundengutschriften bzgl. der Personalratstätigkeit auf einem Langzeitkonto, die zugleich das Ehrenamtsprinzip verletzte.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die Leistungen in den Bereichen Abfallwirtschaft und Reinigung erbringt. Den Ausgangspunkt des Rechtsstreites stellt das Beschäftigungsverhältnis des seit 1981 bei der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerin angestellten Klägers dar. Auf das Arbeitsverhältnis findet u. a. der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVöD-VKA) Anwendung. Der Kläger verfügt über eine Ausbildung als Kraftfahrzeugschlosser mit Spezialisierung zum Berufskraftfahrer und wurde zunächst als Kraftfahrer unter Eingruppierung in die Entgeltgruppe (EG) 6 TVöD eingesetzt. Im Jahr 1990 wurde er in den Personalrat gewählt und ist seitdem ununterbrochen von seiner Tätigkeit als Kraftfahrer, zur Wahrnehmung von Personalratsaufgaben, freigestellt. Für die Dauer von rund 10 Jahren war er Vorsitzender des Personalrats sowie des Gesamtpersonalrats. Während seiner Freistellung erwarb er eine Zusatzqualifikation zum Personalfachkaufmann sowie eine Management-Qualifikation i. R. eines Auftakt- und Abschlussworkshops.

Nach Antrag auf Nachzeichnung seines beruflichen Werdegangs beim damaligen Personalvorstand der Beklagten bewarb sich der Kläger um eine nach EG 15 TVöD bewertete Stelle als Betriebshofleiter der Müllabfuhr. Dem Kläger wurde mitgeteilt, er könne als Leiter Verwaltung/Personal (nach EG 14 TVöD bewertet) aufgebaut werden, woraufhin er sich mit dieser Nachzeichnung seines beruflichen Werdegangs einverstanden erklärte und seine Bewerbung zurücknahm. Der Personalrat stimmte der Höhergruppierung zu, obwohl eine Eingruppierung nach EG 14 TVöD u. a. ein abgeschlossenes Hochschulstudium bzw. gleichwertige Kenntnisse voraussetzt.

Als Mitte 2017 die Beklagte dem Kläger mitteilte, die Eingruppierung gem. EG 14 TVöD verstoße gegen das gesetzliche Verbot der Bevorteilung von Personalräten aufgrund ihres Amtes, weswegen er fortan nach EG 6 TVöD zu vergüten sei, erhob dieser Klage und forderte eine fortwährende Vergütung nach EG 14 TVöD. Sowohl die Vorinstanz (ArbG Berlin, Urt. v. 11.9.2018 – Az. 16 Ca 10014/17) als auch das LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 23.10.2019 – Az. 17 Sa 2297/18) wiesen die Klage ab. Eine Revision an das BAG wurde abgelehnt.

So urteilt das LAG Berlin-Brandenburg, dass dem Kläger kein Anspruch auf eine Vergütung nach EG 14 TVöD zustehe. Eine solche Eingruppierung sei unter keinen Umständen gerechtfertigt, da sie den Kläger in ungerechtfertigter Weise aufgrund seines Personalratsamts begünstige.

Einerseits darf der berufliche Werdegang von Personalratsmitgliedern, sofern diese von der betrieblichen Leistung freigestellt sind, nicht beeinträchtigt werden (s. § 43 Abs. 1 S. 4 BerlPersVG/§ 46 Abs. 3 S. 6 BPersVG). Hierbei ist auf eine fiktive Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung abzustellen, die das freigestellte Personalratsmitglied ohne die Amtstätigkeit genommen hätte (unter Bezugnahme auf die berufliche Entwicklung vergleichbarer Kollegen ohne Personalratsamt). Andererseits darf das Personalratsmitglied bei der Nachzeichnung auch nicht bevorzugt werden, weil eine Begünstigung des Personalratsmitglieds gegen das gesetzliche Begünstigungsverbot verstoße (vgl. BAG, Urt. v. 15.5.2019 – Az. 7 AZR 255/17).

Im vorliegenden Fall sei die von der Beklagten vorgenommene Nachzeichnung unter Bezugnahme auf den beruflichen Werdegang zweier Kollegen mit Hochschulabschluss unzutreffend. Ein Vergleich mit der Tätigkeit des Klägers zum Zwecke der beruflichen Nachzeichnung sei somit, aufgrund fehlender Qualifikationen, als objektiv fehlerhaft anzusehen. Zudem fehle jeglicher Anhaltspunkt für eine Begründung, dass der Kläger auch ohne Freistellung aufgrund seiner Funktion als Personalratsmitglied eine Tätigkeit der Entgeltgruppe 14 TVöD hätte ausüben können. Dem Arbeitgeber stünde bei der Nachzeichnung kein gerichtlich nicht nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu; das gesetzliche Verbot, Personalräte wegen ihres Amtes zu begünstigen, stünde nicht zur Disposition des Arbeitgebers. Die Beweggründe für die Höhergruppierung waren daher ohne Belang.

Die Eingruppierung des Klägers in EG 14 TVöD sei auch nicht aufgrund des Vergleichs mit einer teilweise die EG 6 TVöD überschreitenden Bewertung anderer Kraftfahrer zu rechtfertigen. Ein solcher Vergleich lasse keine Rückschlüsse auf eine üblicherweise im Laufe der beruflichen Entwicklung anfallende höhere Eingruppierung von Kraftfahrern, ohne Personalratsamt, durch die Beklagte zu und spräche somit für eine Begünstigung aufgrund des Amtes. Auch die Bewerbung des Klägers auf eine Stelle, deren Voraussetzungen er offensichtlich nicht erfüllte, ändere daran nichts. Die Berücksichtigung dieser Bewerbung hätte vorausgesetzt, dass dem Personalratsmitglied die Stelle unter Berücksichtigung einer Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) hätte übertragen werden können.

Fazit und Praxishinweis

In der Begründung findet das LAG Berlin-Brandenburg in seinem Urt. v. 23.10.2019 (Az. 17 Sa 2297/18) eindeutige Worte zur Behandlung der fehlerhaften Eingruppierung von Entgeltgruppen bzw. bezüglich der Bewertung der beruflichen Nachzeichnung von Personalratsmitgliedern und bestärkt sowohl Arbeitgeber im Bereich des öffentlichen Dienstes als auch der Privatwirtschaft.

Denn einer Änderungskündigung aufgrund der ursprünglichen Änderungsvereinbarung bedarf es im vorliegenden Fall nicht. So wird begründet, dass die Beklagte keine übertarifliche Vergütung der EG 14 TVöD zugesagt hat, sondern diese lediglich auf der Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs des Klägers basiert. Zudem ist eine solche gegen das Begünstigungsverbot gem. § 107 BPersVG verstoßende Vergütungsabrede gem. § 134 BGB unwirksam. Die Korrektur erfolgt auf der Grundlage des Gesetzes sowie des TVöD und bedarf keiner Änderungskündigung. Das betroffene Personalratsmitglied kann sich nicht nach Treu und Glauben auf einen Vertrauensschutz berufen.

In der Praxis ist es hinsichtlich der Gestaltung der Vergütung von freigestellten Arbeitnehmervertretern anzuraten, vergleichbare im Rahmen der Nachzeichnung zu berücksichtigende Werdegänge sorgfältig und gewissenhaft auszuwählen. Die Unsicherheiten, die im Spannungsverhältnis zwischen der Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs und dem Begünstigungsverbot bestehen, gelten für öffentlich-rechtliche und private Arbeitgeber – bezogen auf das Betriebsratsmandat – gleichermaßen. Unbegründet hohe Vergütungen und sonstige Leistungen können schnell zum Fall der Begünstigung des Amtsträgers führen, womit weitere Strafverfahren (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) einhergehen können.

Besonders praxisrelevant sind in diesem Zusammenhang Instrumente der Pauschalierung von Entgelten zur vereinfachten Kompensation von entgangenen Schichtzulagen, Bereitschaftsdiensten u. Ä., welche Fehler bei der Bemessung der Höhe aufweisen können und im Einzelfall jedenfalls eine sachliche Rechtfertigung erfordern.

Autorin

Marion Plesch
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