BAG schafft alternatives Beschäftigungsmodell zur Befristung

Befristete Arbeitsverhältnisse, gerade in Bezug auf Ketten- und sachgrundlose Befristungen, stellen seit geraumer Zeit eine Problematik dar, die Rechtsunsicherheit sowohl seitens des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers schafft.

Mit Urteil vom 19.11.2019 – 7 AZR 582/17 überraschte das BAG nun die Praxis bezüglich der Gestaltungsmöglichkeiten saisonaler Beschäftigungsverhältnisse und grenzte den Begriff der Befristung maßgeblich von der „Begrenzung“ ab.

Dies ergab sich aus dem Klageverfahren eines als Badeaufsicht sowie mit der Reinigung von Freibadanlagen beauftragten Arbeitnehmers gegen die Gemeinde als Arbeitgeberin und Beklagte. Gemäß Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2006 wurde der Kläger als vollbeschäftigter Arbeitnehmer für die Saison, jeweils vom 1.4. bis zum 31.10. eines Jahres, beschäftigt und vergütet. Im Übrigen wird arbeitsvertraglich auf den TVöD Bezug genommen. Im Jahr 2016 wurde durch die Beklagte fortan unbefristet eine Fachkraft für Bäderbetriebe eingestellt, die ganzjährig tätig wurde. Daraufhin begehrte der Kläger die Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Zur Begründung trug der Kläger vor, es fehle an der erforderlichen schriftlichen Befristungsvereinbarung für die Zeit vom 1.4.2016 bis 31.10.2016 und bei Vertragsschluss sei die Prognose nicht gerechtfertigt gewesen, dass der Beschäftigungsbedarf am 31.10. eines jeden Jahresende.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Auch die Revision des Klägers vor dem 7. Senat des BAG hatte keinen Erfolg. Interessant stellt sich hierbei die abweichende Begründung des BAG zur Herangehensweise des ArbG Verden vom 19.1.2017 (1 Ca 417/16 Ö) und LAG Niedersachsen vom 5.10.2017 (15 Sa 184/17) dar. Wurde in den vorinstanzlichen Verfahren noch vom Vorliegen eines befristeten Arbeitsverhältnisses ausgegangen und somit der Sachverhalt der Prüfung zum Bestehen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 TzBfG bzw. der Schriftform nach § 14 Abs. 4 TzBfG unterworfen, erfolgte die Wertung des BAG unter der Annahme eines „begrenzten“ unbefristeten Arbeitsvertrages unter Abkehr der Prüfung des Vertrages nach § 14 TzBfG.

Vorinstanzlich wurde somit auf die Wirksamkeit der Befristungsabrede abgestellt. Diese wurde bejaht. Zwar sei keine separate schriftliche Befristungsabrede für den Zeitraum vom 1.4. bis zum 31.10.2016 zustande gekommen, jedoch sei die Schriftform durch Befristungsabrede vom 1.4.2006 gewahrt. Dies basiert auf der vertraglichen Geltung für eine unbegrenzte Anzahl von Jahren, jeweils für den Zeitraum vom 1.4. bis zum 31.10. eines Jahres. Zudem läge ein Sachgrund vor, da eine Prognose für die Folgejahre keine Abweichung des Beschäftigungsbedarfs aufzeige.

Anders das BAG, welches in seiner Entscheidung davon ausgeht, dass keine Vielzahl befristeter Arbeitsverträge vorliegt, sondern dem Arbeitsvertrag vom 1.4.2006 zugrunde liegend ein wirksames unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Lediglich die Hauptleistungspflichten (Arbeits- und Vergütungspflichten) seien auf die Monate April bis Oktober eines jeden Jahres begrenzt (vgl. BeckRS 2019, 29183). Aus der Auslegung des Vertrages und dem Verhalten der Parteien ergäbe sich, dass sie vielmehr einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hätten. Eine Befristungskontrollklage ginge daher ins Leere.

Nach dem BAG unterliegt die Prüfung eines unbefristeten „beschränkten“ Arbeitsverhältnisses dem Transparenzgebot und der inhaltlichen Kontrolle auf Unangemessenheit i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB. Vorliegend lasse sich die zeitliche Begrenzung hinreichend deutlich entnehmen. Zudem sei der Kläger nicht unangemessen benachteiligt worden, da die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsverhältnisses davon ausgehen durfte, dass Arbeitsbedarf lediglich während der Badesaison besteht. Der Kläger stünde aufgrund der Suspendierung der beiderseitigen arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten in den Wintermonaten nicht schlechter, als wenn die Beklagte mit ihm einen sachlich begründeten befristeten Arbeitsvertrag für die Badesaison geschlossen hätte.

Fazit und Praxishinweise

Mit Urteil vom 19.11.2019 stärkt das BAG eine alternative Beschäftigungskonstellation i. R. v. saisonalen Arbeitsverhältnissen und gibt den Arbeitgebern mit der Variante des „begrenzten“ Arbeitsverhältnisses somit eine in der Praxis bislang u. E. wenig beachtete Gestaltungsmöglichkeit an die Hand. Klauseln in unbefristeten Saisonarbeitsverhältnissen, welche die Arbeits- und Vergütungspflicht, nicht jedoch die Dauer des Arbeitsvertrags beschränken, unterliegen nach Maßgabe des BAG fortan (lediglich) der AGB-Kontrolle, nicht aber der Befristungskontrolle.

Grundsätzlich wird dies weitläufige Auswirkungen in der Praxis haben und sich branchenübergreifend (insbesondere in der Landwirtschafts-, Tourismus- und Gastronomiebranche) auf saisonale Arbeitsverhältnisse auswirken. Erfasst werden somit jegliche Betriebe mit starken Schwankungen in der betrieblichen Auslastung und auf die Saison zugeschnittenem Arbeitsbedarf.

Dies führt in der Praxis zu einer Neuerung. Arbeitnehmer mit einem unbefristeten Saisonarbeitsvertrag können sich fortan sicher sein, in der folgenden Saison beschäftigt zu werden, wodurch beidseitig Planungssicherheit geschaffen wird. Zudem können sich für den Arbeitgeber, durch Abschluss „begrenzter“ Arbeitsverhältnisse, Vorteile unter dem Aspekt der saisonalen Personalbindung ergeben. Alternativ besteht für den Arbeitgeber weiterhin die Möglichkeit zur befristeten Anstellung. Es ist anzuraten, die konkrete vertragliche Ausgestaltung einer näheren Betrachtung zu unterziehen und ggf. Folgefragen (wie z. B. Auswirkungen auf Urlaubsansprüche, Beschäftigungszeiten) prüfen zu lassen.

Autorin

Marion Plesch
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