Aufgeschoben ist nicht aufgehoben – Reform der Krankenhausplanung in NRW

19.06.2020 – Bereits am 12.9.2019 stellte der Gesundheitsminister des Landes NRW, Karl-Josef Laumann, das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten zur Analyse der Krankenhauslandschaft in NRW vor.

Zwischenzeitlich liegen auch erste Publikationen zu dem mehr als 900 Seiten starken Gutachten vor. Auch wenn die Corona-Krise den bisherigen Blick auf die Krankenhauslandschaft – nicht nur in NRW – beeinflussen wird, werden die Ergebnisse des Gutachtens zu einer massiven Veränderung der Krankenhausplanung in NRW führen. Es geht somit nicht um die Frage des „Ob“, sondern um die Fragen des „Wie“ und des „Wann“. Ein Grund, sich den Ergebnissen des Gutachtens, den daraus abgeleiteten Empfehlungen für eine Reform und den sich daraus ergebenden Folgen für Krankenhausträger in NRW einmal anzunähern.

Status quo der Krankenhausplanung in NRW

Zuständig für die Krankenhausplanung ist das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Diese stellt den landesweiten Krankenhausplan auf und schreibt ihn fort. Im Landeskrankenhausplan wird der aktuelle Bedarf und die vorgesehene Entwicklung der für eine ortsnahe, bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung erforderlichen Krankenhäuser und Ausbildungsstätten ausgewiesen.

Bei der Planung werden z. B. Faktoren wie Krankenhaushäufigkeit, Verweildauer, Bettennutzung, Leistungsmengen und Bevölkerungsentwicklung berücksichtigt. Die Planung richtet sich in erster Linie an den Fachabteilungen und Versorgungsgebieten aus. Maßgebliche Planungsgrundlage ist die Zahl der Betten.

Ergebnisse des Gutachtens

Zentrales Ergebnis des Gutachtens ist, dass es in NRW – mit wenigen Ausnahmen im ländlichen Bereich und in einigen Fachbereichen wie der Neurologischen Frührehabilitation und Palliativmedizin – eine flächendeckende Versorgung gibt. Für die Ballungsgebiete in der Region Rhein-Ruhr wird eine Überversorgung für die meisten Fachbereiche festgestellt. Außerdem wird festgestellt, dass sich die Krankenhausplanung zu wenig an den tatsächlichen Bedarfen und der Behandlungsqualität orientiert. Insbesondere in den Ballungsgebieten in der  Region Rhein-Ruhr gebe es eine hohe Anzahl von Leistungserbringern mit geringen Fallzahlen, die bei gleichzeitig hoher Krankenhaushäufigkeit in enger geografischer Beziehung stünden. Beispielhaft werden in der Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse des Gutachtens Prothesen für Kniegelenke, Operation der Bauchspeicheldrüse und die Behandlung von Herzinfarkten in Krankennhäusern ohne Stroke-Unit genannt.

Die derzeitig Planungsmethodik mit einer wenig detaillierten Rahmenplanung nach Fachgebieten und Versorgungsgebieten verhindere eine gezielte Steuerung von Krankenhauskapazitäten und Leistungen, sei nicht flexibel und nur unzureichend zu kontrollieren. Insbesondere würde die Qualität der Leistungserbringung nur in geringem Maße berücksichtigt (vgl. hierzu auch den Beitrag zu den bundeseinheitlichen Qualitätsanforderungen an Zentren im Health Care Newsletter 1/2020).

Empfehlungen des Gutachtens

Empfohlen wird eine grundlegende Reform der Krankenhausplanung in NRW. Die Krankenhausplanung soll künftig nicht mehr allein anhand der Bettenzahl vorgenommen werden, sondern es sollen 25 medizinische Leistungsbereiche, die sich in 70 somatische und 10 psychiatrische bzw. psychosomatische Leistungsgruppen aufgliedern, eingeführt werden.

Dargestellt am Beispiel der bisherigen Fachabteilung Chirurgie bedeute dies, dass das chirurgische Leistungsspektrum in den Leistungsbereichen Viszeralchirurgie (Bauchchirurgie) und Bewegungsapparat dargestellt würde. Der Leistungsbereich Bewegungsapparat gliedere sich dann auf in die Leistungsgruppen Unfallchirurgie, Endoprothetik, Hüfte und Wirbelsäulenchirurgie.

Die Leistungsbereiche und -gruppen werden wiederum an   Qualitätsindikatoren, die z. B. vom Gemeinsamen Bundesausschuss oder von Fachgesellschaften festgelegt werden, und Vorgaben, wie Mindestmengen und Strukturmerkmale (z. B. bestimmte technische und personelle Voraussetzungen), gekoppelt. Außerdem können Erreichbarkeitsziele für jede Leistungsgruppe (z. B. 30 Minuten zu einem Krankenhaus mit Notfallversorgung; vgl. zur Reform der Notfallversorgung auch den Beitrag im Health Care Newsletter 1/2020) definiert werden.

Zeitliche Perspektive der Umsetzung der Empfehlung des Gutachtens

Geplant war, dass im Jahr 2020 der neue Landeskrankenhausplan erarbeitet wird und im Jahr 2021 die Beteiligten vor Ort aufgefordert werden, die Verhandlungen über die regionalen Planungskonzepte nach dem neuen Krankenhausplan des Landes NRW aufzunehmen. Ziel war es, dass diese Verhandlungen bis zum Ende der Legislatur im Jahr 2022 abgeschlossen sind. Dieses Ziel dürfte allerdings nicht zu halten sein.

Folgen einer Reform der Krankenhausplanung

Interessant ist, dass 64 % aller stationären Fälle in NRW auf die beiden großen Fachbereiche Innere Medizin und Chirurgie entfallen, also die Fachbereiche, für die die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PPUgV) nunmehr auch Mindestpersonalquoten festlegt. Da diese Fachbereiche typischerweise auch in kleineren und ländlich gelegenen Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung vorgehalten werden, denen aber wiederum die Möglichkeit fehlt, die margenträchtigen komplexen Eingriffe durchzuführen bzw. die entsprechenden Mindestmengen zu erreichen, dürften diese besonders mit den Folgen der Reform der Krankenhausplanung und gleichzeitig der PPUgV zu kämpfen haben. Anderseits wird sich zeigen, ob die Corona-Krise nicht zu einer Abkehr von den Zentralisierungs- und Konzentrationsbestrebungen führen wird. Gleichzeitig wird zu beobachten sein, welche Entwicklungen sich diesbezüglich im Kartellrecht ergeben, die solchen Bestrebungen zuletzt vermehrt entgegenstanden.

In jedem Fall wird sich eine entsprechende Reform massiv auf den Krankenhaussektor in NRW auswirken. Gerne unterstützen wir Sie als Krankenhausträger bei den bevorstehenden Analysen, Verhandlungen und Umsetzungsschritten, Transaktionen und Bildung von Kooperationen durch unser interdisziplinäres Health Care Team in den Bereichen Audit, Law, Financial Advisory Services und Tax.

Autor

Dr. Moritz Ulrich
Tel: +49 30 208 88-1445
moritz.ulrich@mazars.de

Dies ist ein Beitrag aus unserem Health-Care-Newsletter 2-2020. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier . Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.