Unternehmerische Mitbestimmung und Frauenquote

Eine aktuelle Studie zur unternehmerischen Mitbestimmung in Deutschland ergab, dass „offensichtlich bei einem Großteil der nach der Arbeitnehmerzahl dafür in Frage kommenden (tendenzfreien) GmbHs kein mitbestimmter Aufsichtsrat installiert ist“. Diese in der Vergangenheit selten geahndeten und gesetzlich nicht sanktionierten Gesetzesverstöße sollten im Zusammenhang mit den neuen gesetzlichen Regelungen zur sog. Frauenquote unternehmensintern Anlass zur Überprüfung geben.

1. Mitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG)

Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, die regelmäßig 501 bis 2.000 Arbeitnehmer (ohne leitende Angestellte) beschäftigen, haben gemäß § 1 Abs. 1 DrittelbG einen Aufsichtsrat zu bilden, welcher zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern besteht.

Bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahlen sind sämtliche Arbeitnehmer voll mitzuzählen, unabhängig vom Umfang der Beschäftigung (auch geringfügig Beschäftigte), der Beschäftigungsdauer, einer Befristung o.Ä.

2. Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG)

Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, die regelmäßig mehr als 2.000 Arbeitnehmer (einschließlich leitender Angestellter) beschäftigen, haben gemäß § 1 Abs. 1 MitbestG einen Aufsichtsrat zu bilden, welcher paritätisch besetzt ist, mithin zu gleichen Teilen aus Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer besteht.

Bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahlen sind ebenfalls sämtliche Arbeitnehmer voll mitzuzählen, unabhängig vom Umfang der Beschäftigung (auch geringfügig Beschäftigte), der Beschäftigungsdauer, einer Befristung o.Ä.

Ist die Gesellschaft herrschendes Unternehmen gem. § 18 Abs. 1 AktG, gelten für die Anwendung des MitbestG auch die Arbeitnehmer der Konzernunternehmen als bei der Gesellschaft beschäftigt.

Im Übrigen können sich im Einzelfall, wie beim DrittelbG, Besonderheiten ergeben.

3. Ausnahmen von der Mitbestimmung

Ausnahmen gelten für Tendenzunternehmen, d.h. Unternehmen, die unmittelbar und überwiegend

  • politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder
  • Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung

dienen.

Das Drittelbeteiligungsgesetz und das Mitbestimmungsgesetz gelten nicht für ausländische Unternehmensformen (z.B. Ltd. nach englischem Recht).

4. Sanktionierung/Rechtsfolgen der unterlassenen Aufsichtsratsbildung (bei der GmbH)

Die Nichteinrichtung eines Aufsichtsrats unterliegt grundsätzlich keiner gesetzlichen Sanktionierung. Allerdings kann die Belegschaftsvertretung (Betriebsrat) die Einrichtung eines mitbestimmten Aufsichtsrats erzwingen.

Die Nichteinrichtung eines gesetzlich vorgeschriebenen drittelbeteiligten Aufsichtsrats kann bei Prüfung des Jahresabschlusses als relevanter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften (Nicht-Compliance) bewertet werden, der gemäß § 321 Abs. 1 HGB eine Berichtspflicht auslöst und zu einem entsprechenden Vermerk des Prüfers zum Jahresabschluss führt.

Die jeweiligen Mitglieder des Geschäftsführungsorgans begehen eine Pflichtverletzung, wenn sie entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht auf die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Aufsichtsorgans hinwirken. Diese kann ggf. gegenüber der Gesellschaft eine Schadenersatzpflicht auslösen.

Bei einem nicht ordnungsgemäß besetzten, weil nicht mitbestimmten Aufsichtsrat besteht das Risiko, dass Beschlüsse des Aufsichtsrats nichtig oder jedenfalls angreifbar sein können.

5. Sog. Frauenquote

Am 1. Mai 2015 ist das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ in Kraft getreten. Zur Verbesserung des Anteils von Frauen in Führungspositionen werden mitbestimmte und/oder börsenorientierte Unternehmen zu bestimmten Zielgrößen bei der Frauenquote in ihren Führungsgremien verpflichtet.

Der Gesetzgeber differenziert: Aufsichtsräte von Unternehmen, die börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestimmung nach dem MitbestG unterliegen, müssen eine fixe Geschlechterquote von 30% einhalten. Diese gilt für erforderlich werdende Neuwahlen und Entsendungen ab 1. Januar 2016 zur Besetzung einzelner oder mehrerer Aufsichtsratssitze. Bestehende Mandate – auch die der Ersatzmitglieder – können bis zu ihrem regulären Ende auslaufen.

Rechtsfolge der Nichteinhaltung der fixen Geschlechterquote ist der sog. leere Stuhl, d.h. Nichtigkeit der gegen den Mindestanteil verstoßenden Wahl. Nehmen die Betroffenen an Aufsichtsratssitzungen teil, wird ihre Stimme bei Beschlüssen nicht mitgezählt.

Sind Unternehmen mitbestimmungspflichtig oder börsennotiert, besteht die Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen in Aufsichtsrat, Vorstand und den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands bzw. der Geschäftsführer. Die Festlegung von Zielgrößen für den Vorstand kann neben der Verpflichtung zu fixen Quoten für den Aufsichtsrat bestehen. Es gibt keine Mindestzielgröße, aber es gilt das sog. Verschlechterungsverbot, d.h., bei einem Frauenanteil unter 30% darf die Zielgröße den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Die Festlegung von Zielgrößen war erstmals bis zum 30. September 2015 (bis längstens zum 30. Juni 2017) vorgesehen, danach können Zielgrößen für jeweils maximal fünf Jahre bestimmt werden.

Bei vollständiger Unterlassung der Festlegung von Zielgrößen kommen Schadenersatzansprüche gegen die zuständigen Organe in Betracht. Ferner werden bei Unterlassen der Festlegung von Zielgrößen die Berichtspflichten nach § 289 a HGB nicht erfüllt, was wiederum eine Ordnungswidrigkeit nach § 334 HGB darstellt.

Das Nichterreichen der Zielgrößen innerhalb der Fristen ist grundsätzlich sanktionslos. In der Erklärung zur Unternehmensführung ist über Zielgrößen und Fristen zu berichten. Dies umfasst die Angabe, ob festgelegte Zielgrößen im Bezugszeitraum eingehalten wurden bzw. die Gründe für ein Nichteinhalten. Die Berichterstattungspflicht im Lagebericht ist nach § 289 a HGB n.F. (mit Inkrafttreten des BilRUG, Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz) gesetzlich normiert. Auch hier greifen bei unvollständigen Lageberichten die Sanktionen der §§ 334 f. HGB.

6. Empfehlung

Unternehmen müssen prüfen, ob sie wegen Erreichens der Schwellenwerte einen Aufsichtsrat zu bilden haben oder ein Ausnahmetatbestand anwendbar ist.

Bei mitbestimmten Unternehmen muss geprüft werden, ob Regelungen zur Frauenquote eingehalten werden und die Unternehmen insofern ihren Berichtspflichten nachkommen.

Gern werden wir Sie über künftige Neuerungen sowie die weitere Entwicklung der Rechtsprechung fortlaufend informieren.

Wir möchten jedoch ausdrücklich darauf hinweisen, dass diese allgemeinen Informationen keine Rechtsberatung für den konkreten Anwendungsfall darstellen. Wir empfehlen ergänzend für Einzelfragen die Hinzuziehung des rechtlichen Beraters. Die Hinweise erfolgen unter dem Vorbehalt einer sich noch herausbildenden Anwendungspraxis und einer sich noch entwickelnden Rechtsprechung.

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