Vertrauen ist gut! Kontrolle ist besser! Tax-Compliance- Management-Systeme auch für Non-Profit-Organisationen?

Tax Compliance ist schon lange kein Thema mehr, das nur Wirtschaftsunternehmen betrifft. Auch Non-Profit-Organisationen rücken immer mehr in den Fokus der Finanzverwaltung. Die Ziele eines Tax-Compliance-Management-Systems ist Transparenz, die Vermeidung finanzieller Nachteile sowie ordnungswidrigkeiten- und strafrechtlicher Sanktionen – sowohl für die Organisation als auch für die einzelnen für sie handelnden Personen.

Der Begriff Compliance (engl.) heißt übersetzt Ordnungsmäßigkeit oder Übereinstimmung. In rechtlicher und betriebswirtschaftlicher Hinsicht wird hierunter eine Wertentscheidung zum Handeln in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht verstanden. Tax Compliance ist folglich die Befolgung steuerrechtlicher Regelungen und Pflichten. Das gesetzestreue Verhalten umfasst dabei auch die Ausnutzung gesetzgeberischer Spielräume und die Auslegung der Normen im Rahmen des juristisch Zulässigen (Hauschka-Besch/Starck, Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, Rn. 5).

Die formelle Umsetzung der Wertentscheidung erfolgt durch ein Tax-Compliance- Management-System (im Folgenden: Tax CMS). Dieses System stellt ein internes Steuerungs- und Überwachungssystem dar, welches Maßnahmen und Grundsätze implementiert, die eine Einhaltung von Gesetzen und Regeln ermöglichen.

Frischen Wind erhält die Problematik des Tax CMS durch die Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung mit BMF-Schreiben vom 23.05.2016 (GZ IV A 3 – S0324/15/10001). Die Änderung umfasst eine Neuregelung zu § 153 AO, die sich mit der Abgrenzung von Fällen der Berichtigung von Erklärungen nach § 153 AO und der straf- und bußgeldbefreienden Selbstanzeige gemäß §§ 371 und 378 Abs. 3 AO beschäftigt. Eine Berichtigung der Erklärung kann nur vorgenommen werden, wenn die Abgabe der fehlerhaften Erklärung weder vorsätzlich noch leichtfertig erfolgt ist. Andernfalls ist nur noch eine Selbstanzeige möglich. Entsprechend der Änderung des Anwendungserlasses kann ein innerbetriebliches Kontrollsystem (Tax CMS) „[…] ggf. ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann […]“.

Risiken und Verantwortlichkeiten im Umgang mit Steuerthemen

Ein angemessenes und wirksames Tax CMS war auch schon zuvor ein Indiz dafür, dass die handelnde Person weder fahrlässig, leichtfertig noch bedingt vorsätzlich gehandelt hat. Es dient damit auch der Abschirmung vor straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verantwortlichkeiten.

Das Tax CMS soll insbesondere sicherstellen, dass dem Steuerpflichtigen, seinem gesetzlichen Vertreter gemäß § 34 AO oder dem von ihm Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 OwiG kein fahrlässiges Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen im Sinne des § 130 OwiG vorgeworfen werden kann. Durch unzureichende Aufsichtsmaßnahmen kommt es oft zu einer unrichtigen oder unvollständigen Erfassung steuerlich erheblicher Tatsachen, was durch ein Tax CMS verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre.

Um dem Vorwurf der Leichtfertigkeit im Rahmen einer Steuerverkürzung gemäß § 378 AO entgegenzutreten, muss sichergestellt werden, dass sich das Fehlverhalten in der Delegationskette dem Verantwortlichen nicht hätte aufdrängen müssen. Durch ein Tax CMS sollten daher entsprechende Auswahl-, Unterweisungs- Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen implementiert werden (Geuenich/Kiesel, BB 2012, 162).

Eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO beruht meist auf dem vorsätzlichen Verhalten Einzelner oder einer bewussten Umgehung von organisatorischen Absicherungsprozessen. Ein Tax CMS kann daher den Vorwurf einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung nur insofern verhindern, als dass durch eine lückenlose Dokumentation strafrechtliche Verantwortlichkeiten klar abgegrenzt werden können (Geuenich/Kiesel, BB 2012, 162).

Nach § 69 i. V. m. §§ 34 und 35 AO haften der gesetzliche Vertreter natürlicher und juristischer Personen sowie die Geschäftsführer nicht rechtsfähiger Personenvereinigungen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden. Auch insofern lässt sich der Vorwurf der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung durch ein funktionierendes Tax CMS ausräumen.

Kontrolle braucht Regeln! Bausteine eines Tax CMS

Ein Tax CMS als Teil eines allgemeinen CMS besteht aus unterschiedlichen Bausteinen, die in Wechselwirkung miteinander stehen (siehe hierzu: IDW PS 980).

Kontrollumfeld: Das Kontrollumfeld bildet die Grundlage eines wirksamen Tax CMS. Wesentliche Faktoren sind hierbei die Grundeinstellung, Organisationskultur und das Problembewusstsein der zuständigen Mitarbeiter. Die Implementierung einer Compliance-Kultur, die deutlich macht, dass die Einhaltung steuerlicher Vorschriften wichtig ist und dass Verstöße nicht geduldet und sanktioniert werden, hat daher auf jeder Ebene der Organisation zu erfolgen.

Risikobeurteilung: Unter Berücksichtigung des Kontrollumfeldes sind die in der Organisation vorhandenen Risiken festzustellen. Die Risiken sind nach deren Eintrittswahrscheinlichkeit und den Folgen zu gewichten (Müller, IDWlife 03.2016, 121). Risikobehaftet sind insbesondere Umsatzsteuerthemen wie die Abgrenzung der nichtunternehmerischen von der unternehmerischen Sphäre, der Vorsteuerabzug, Reverse-Charge-Fälle, die Ein- und Ausfuhrabgaben sowie die Abgrenzung des aktiven und passiven Sponsorings von der Spende.

Kontrollaktivitäten: Um den festgestellten Risiken entgegenzuwirken, sollten folgende vier Prinzipien durch das Tax CMS umgesetzt werden: Das Transparenzprinzip, welches besagt, dass für organisationsinterne Personen und externe Dritte ersichtlich sein muss, nach welchem Tax CMS gehandelt wird und inwiefern den einzelnen Maßnahmen Folge geleistet wird. Als Sicherungsmaßnahme sollten nach dem Mindestinformationsprinzip für den einzelnen Mitarbeiter nur die Informationen zugänglich sein, die er für seine Arbeit benötigt. Damit verbunden ist das Prinzip der Funktionstrennung, wonach vollziehende, verbuchende und verwaltende Tätigkeiten innerhalb eines Unternehmensprozesses nicht in einer Hand liegen sollten. So wird sichergestellt, dass nicht eine einzelne Person zu viel Einfluss auf steuererhebliche Prozesse hat. In einem Tax CMS sollte zudem jeder wesentliche Vorgang durch eine Gegenkontrolle im Rahmen eines Vier-Augen- Prinzips abgesichert werden.

Information und Kommunikation: Innerhalb des Tax CMS sind die vorhandenen Informations- und Kommunikationssysteme auf deren Effektivität und Wirksamkeit zu überprüfen. Jeweils betroffene Mitarbeiter sind über Verantwortlichkeiten, Informationsflüsse und Kommunikationswege zu informieren, damit die jeweiligen Aufgaben sachgerecht erfüllt werden können. Zur Nachvollziehbarkeit für die einzelnen Mitarbeiter ist eine Verschriftlichung in Organisationshandbüchern, Richtlinien oder Arbeitsanweisungen sinnvoll.

Überwachung des Tax CMS: Die Überwachung des vorhandenen Tax CMS dient der fortlaufenden Beurteilung der Angemessenheit, Eignung, Wirksamkeit und der tatsächlichen Durchführung des CMS und ermöglicht so die Identifikation von Anpassungs- und Verbesserungspotenzial (Eichler, WPG 2015, 7). Die Überwachung sollte auch eine Kontrolle der Kontrolleure beinhalten.

Die Ausgestaltung eines Tax CMS richtet sich unter anderem nach Größe, Gegenstand der Organisation, individuellen Bedürfnissen und vorhandenen Ressourcen. Die Festlegung eines allgemeingültigen Standards ist daher nicht möglich.

Fazit

Aufgrund der zunehmenden Komplexität und der sich stetig ändernden steuerrechtlichen Materie wird in Zukunft auch im Non-Profit-Bereich keine Organisation umhinkommen, zumindest ein rudimentäres Tax CMS einzurichten. Wird dies unterlassen, so besteht für die handelnden Personen nicht nur die Gefahr, für Steuern Dritter einstehen zu müssen, aufgrund eines Organisationsverschuldens gegenüber der Gesellschaft zu haften oder eine Ordnungswidrigkeit zu begehen, sondern im schlimmsten Fall, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Für die Einrichtung eines Tax CMS gilt prinzipiell: Der Weg ist das Ziel! Die Implementierung neuer Strukturen und Verantwortlichkeiten sollte Schritt für Schritt erfolgen. Wichtig hierbei ist, dass Verhaltensänderungen zur Vermeidung von menschlichem Fehlverhalten immer unter Berücksichtigung der individuellen Situation und Bedürfnisse der Betroffenen erfolgt. Im Ergebnis führt ein Tax CMS zu mehr interner Transparenz, geklärten Zuständigkeiten und Prozessen, einer erhöhten Effektivität und einem positiven Image bei der Finanzverwaltung und potenziellen Geldgebern.

Kontakt

Dr. Katarina Günther
Tel: +49 30 208 88-1076

Dies ist ein Beitrag aus unserem NPO-Newsletter 1/2016. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier.