Grenzüberschreitende Umwandlungen im Praxistest

Mit seiner Entscheidung vom 12.7.2012 (C-378/10, VALE), stellte der EuGH klar, dass grenzüberschreitende identitätswahrende Umwandlungen grundsätzlich möglich sein können.

In dem der EuGH-Entscheidung zugrunde liegenden Streitfall verlegte eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach italienischem Recht (Società a responsabilità limitata; kurz Srl) ihren satzungsrechtlichen Sitz sowie den Ort ihrer Geschäftsleitung von Italien nach Ungarn. Formal erfolgte dieser Vorgang durch Löschung im italienischen Handelsregister und anschließender Neugründung als ungarische Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Korlátolt felelösségü társaság; kurz Kft). Das ungarische Registergericht verweigerte die beantragte Eintragung als Rechtsnachfolgerin der italienischen Srl.

Der EuGH entschied, dass bei solchen grenzüberschreitenden Umwandlungen die Eintragung der „Rechtsvorgängerin“ nicht verweigert werden dürfe, wenn die Eintragung der Vorgängergesellschaft im Handelsregister bei reinen innerstaatlichen Umwandlungen grundsätzlich vorgesehen ist. Der EuGH identifizierte für dergestalt differenzierende Regelungen einen Verstoß gegen die europäische Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV).

Insbesondere für Zwecke der Grunderwerbsteuer hat diese Entscheidung ganz erhebliche Auswirkungen: Grundbesitzhaltende Gesellschaften haben die Möglichkeit, sowohl ihren satzungsrechtlichen Sitz als auch den Ort ihrer Geschäftsleitung von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen zu verlegen, ohne einen Grunderwerbsteuertatbestand auszulösen. Diese Erkenntnis bietet im Rahmen von konzerninternen Reorganisationsmaßnahmen interessante Gestaltungsmöglichkeiten.

Die Rechtsprechung des EuGH bietet der internationalen Gestaltungspraxis interessante Möglichkeiten für Reorganisationen über die Grenze. Da die oben dargestellte Entscheidung des EuGH jedoch noch verhältnismäßig jung ist und sich die Rechts- und Steuerpraxis nunmehr mit der Umsetzung befasst, ist es zu empfehlen, in vergleichbaren Fällen jeweils einen Antrag auf verbindliche Auskunft zu stellen. Hintergrund ist, dass sich eine eindeutig zu prognostizierende Verwaltungsauffassung zur identitätswahrenden Umwandlung – soweit ersichtlich – noch nicht hinreichend herausentwickelt hat, auch wenn die Tendenz klar in Richtung grunderwerbsteuerneutraler Umwandlung geht.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2016. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.