Neuer Erlass der Finanzverwaltung zu den Berichtigungspflichten der Steuerpflichtigen

30.08.2016 – Kaum ein Rechtsgebiet ist so komplex wie das Steuerrecht.

Fehler bei seiner Anwendung sind an der Tagesordnung. Auch die Finanzverwaltung ist davor nicht gefeit. Während sich bei einem Fehler des Finanzamts nur die Frage stellt, ob hiergegen in einem Einspruchs- oder Klageverfahren vorgegangen wird, wird bei Fehlern des Steuerpflichtigen immer schneller die Frage aufgeworfen, ob dies ein böswilliger Fehler, sprich Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzung ist.

Seitdem in der Öffentlichkeit immer häufiger über mal mehr, mal weniger spektakuläre Fälle des Verdachts auf Steuerhinterziehung berichtet und diskutiert wird, herrscht in der Praxis eine immer größer werdende Unsicherheit, wann man einen schlichten Fehler ebenso schlicht nach § 153 AO berichtigen kann oder muss und wann man bereits einem Verdacht auf Steuerhinterziehung ausgesetzt ist, bei dem man sich nur durch eine Selbstanzeige nach § 371 bzw. § 378 Abs. 3 AO vor strafrechtlichen Risiken schützen kann. Da die Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige in den letzten Jahren verschärft wurden, sodass sie häufig schwer erfüllbar geworden sind, hat die Frage der Unterscheidung zwischen der Berichtigung eines Fehlers und der Selbstanzeige eines Steuervergehens noch größere Bedeutung erlangt.

Das BMF hat am 23.5.2016 die endgültige Fassung des seit rund einem Jahr diskutierten Anwendungserlasses zu § 153 AO zur Frage der Abgrenzung zwischen Berichtigung und Selbstanzeige veröffentlicht. Um es vorwegzunehmen: Das lange Warten auf die endgültige Fassung dieser Verwaltungsanweisung hat sich für die Steuerpflichtigen leider nicht gelohnt, da der Erlass sehr allgemein gehalten ist.

Nach § 153 AO hat der Steuerpflichtige oder sein Rechtsnachfolger eine objektiv fehlerhafte Steuererklärung unverzüglich zu berichtigen, wenn er die Unrichtigkeit innerhalb der Festsetzungsfrist tatsächlich erkennt. Ein Erkennen-Können oder Erkennen-Müssen reicht nicht aus. Die gleiche Berichtigungspflicht gilt, wenn die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung oder -begünstigung nachträglich entfallen. Kein Fehler, sondern eine Steuerhinterziehung bzw. -verkürzung, die nur durch Selbstanzeige geheilt werden kann, liegt vor, wenn die Fehlerhaftigkeit der Steuererklärung vorsätzlich (= bewusst und gewollt) oder leichtfertig (= grober Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten) herbeigeführt wurde. Welcher Fall vorliegt, soll von den Finanzämtern nach den Umständen des Einzelfalles aufgrund einer sorgfältigen Prüfung ermittelt werden. Immerhin, es soll nach dem BMF nicht allein aufgrund der Höhe der steuerlichen Auswirkungen des Fehlers auf einen Anfangsverdacht für eine Steuerhinterziehung geschlossen werden.

Für Unternehmen enthält das BMF-Schreiben wenigstens den Ansatz für die Vermeidung eines Anfangsverdachtes auf Steuerhinterziehung. Denn wenn das Unternehmen ein innerbetriebliches Kontrollsystem, ein sogenanntes Tax Compliance Management System (abgekürzt Tax CMS), zur Sicherung der Erfüllung der steuerlichen Pflichten eingerichtet hat, „kann dies ggf. ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann, jedoch befreit dies nicht von einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls“ (so der O-Ton des BMF). Diese für das BMF-Schreiben typische weiche Formulierung verschafft den Unternehmen weder Rechtssicherheit noch eine hinreichende Handlungsempfehlung, wie sie sich vor dem Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung schützen können. Man kann nur hoffen, dass die Finanzämter die ernsthafte Einrichtung eines Tax CMS verlässlich als klaren Anhaltspunkt dafür akzeptieren, dass kein böswilliger Fehler vorliegt. Nur wenn ein Tax CMS lediglich alibimäßig, also nicht ernsthaft eingerichtet wurde oder jemand erkennbar versucht hat, an dem Tax CMS vorbei zu handeln, sollte ein Anfangsverdacht für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung näher geprüft werden. Hierzu wäre eine schnelle Klärung wünschenswert; sie ist aber leider nicht zu erwarten.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 4/2016. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.