Referentenentwurf zum BEPS-Umsetzungsgesetz

Mit der Veröffentlichung des Referentenentwurfs zum BEPS-Umsetzungsgesetz ("RefE") am 1.6.2016 geht Deutschland einen weiteren konsequenten Schritt zur Umsetzung der Empfehlungen des internationalen BEPS-Projekts ("Base Erosion and Profit Shifting").

Kernpunkte des vorliegenden Entwurfs stellen insbesondere die Einführung eines erweiterten Dokumentationskonzeptes, Regelungen zum automatischen Informationsaustausch über Tax-Rulings, die Abkehr vom internationalen Verständnis des Fremdvergleichsgrundsatzes zugunsten einer „deutschen Auslegung“ sowie die Implementierung des diskutierten CbC-Reportings dar.

Die Themenbereiche spiegeln das mit dem Entwurf des BEPS-UmsG verfolgte Hauptanliegen wieder: Das Gesetz soll sowohl zur Reduzierung bestehender Informationsasymmetrien der Finanzbehörden als auch zur Beseitigung von Unsicherheiten in Bezug auf die Auslegung bestehender DBA beitragen. In der Konsequenz steht diesem Ziel auf Unternehmensseite jedoch auch ein erheblicher Mehraufwand für Compliance im Bereich Verrechnungspreise gegenüber.

Der Beschluss der Bundesregierung zur Eröffnung des formalen Gesetzgebungsverfahrens soll dem Vernehmen nach am 13.7.2016 erfolgen. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens wird für das zweite Halbjahr 2016 erwartet.

Ausweitung der Dokumentationspflichten

Einführung des Masterfile-/Localfile-Konzepts (§ 90 Abs. 3 AO)

„Multinationale Unternehmensgruppen“ sind zur Erstellung einer Übersicht über die Art ihrer weltweiten Geschäftstätigkeit und die Systematik der Verrechnungspreisbestimmung (Masterfile) verpflichtet, sofern sie im vorangegangenen Wirtschaftsjahr einen Umsatz von mind. 100 Mio. Euro erwirtschafteten.

  • Der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass ein Masterfile auch dann zu erstellen ist, wenn die Unternehmensgruppe nur aus einem Stammhaus und einer ausländischen Betriebsstätte besteht. Diese Regelung folgt dem bereits im Jahr 2013 implementierten AOA (Authorised OECD Approach).
  • Aufweichung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes?
    Gem. RefE sollen Unternehmen künftig zur Ergänzung der Aufzeichnungen verpflichtet sein, sofern die Finanzbehörde dies fordert.
  • Neu im Localfile: Verpflichtende Darstellung des Zeitpunktes der Verrechnungspreissetzung (Price Setting Approach!)
  • Aufatmen! Entgegen der öffentlichen Diskussion über eine obligatorische Einreichung der Verrechnungspreisdokumentation mit Abgabe der Steuererklärung bleibt es bei den bisherigen Fristen zur Erstellung und Einreichung nach Anforderung durch die Finanzverwaltung.

Weitere Folgen: Der RefE kündigt eine grundlegende Überarbeitung der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV) an.

Verschärfungen der Sanktionsregelungen zur Verwertbarkeit (§ 162 AO)

Legt ein Unternehmen nicht verwertbare Aufzeichnungen vor, so kann dies zur Festsetzung eines Strafzuschlags in Höhe von 5.000 Euro führen. Die Beurteilung der Verwertbarkeit erfolgte bisher auf Ebene der Gesamtdokumentation. Künftig soll eine Beurteilung auf Basis jedes einzelnen Geschäftsvorfalles im Vordergrund stehen. Damit wäre die Verletzung von Mitwirkungspflichten und die Erhebung von Strafzuschlägen an vergleichsweise geringere Voraussetzungen geknüpft.

Keine Sperrwirkung nach Art. 9 OECD-MA (§ 1 Abs. 1 AStG)

Im RefE erfolgt eine Ablehnung der BFH-Auffassung, nach der Einkünftekorrekturen, die lediglich aufgrund formaler Mängel zu einer verdeckte Gewinnausschüttung führen sollten, durch Abkommensrecht gesperrt sein sollten.

Es empfiehlt sich eine sorgfältige Überprüfung formaler und inhaltlicher Regelungen bestehender Vereinbarungen und vertraglicher Grundlagen.

Automatischer Informationsaustausch über Tax Rulings

Zukünftig soll durch Änderung des EU-Amtshilfegesetzes ein automatischer Informationsaustausch über grenzüberschreitende Vorabbescheide und Vorabverständigen zu Verrechnungspreisgestaltungen („Tax-Rulings“) zwischen den EU-Mitgliedsstaaten erfolgen. Dies betrifft:

  • Zeitpunkt der Erstanwendung: Für Tax-Rulings, die den Zeitraum von 5 Jahren vor dem 1.1.2017 betreffen, erfolgt der Informationsaustausch vor dem 1.1.2018.
  • Stichtag 31.12.2016
    • Betrifft nach dem 31.12.2016 erteilte, getroffene, geänderte oder erneuerte Tax-Rulings
    • Austausch erfolgt ohne vorheriges Ersuchen des anderen Mitgliedsstaates in regelmäßigen Abständen (innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf des Kalenderhalbjahres).

Neben Basisinformationen zum Tax Ruling sollen ebenfalls folgende Angaben ausgetauscht werden:

  • Angaben zur Person
  • Zusammenfassung des Inhalts
  • Informationsbasis (Antrag/Tax Ruling selbst)
  • Erteilung und Geltungsdauer
  • Vermutlich betroffene Mitgliedsstaaten/Personen
  • Betrag der Transaktion bzw. der Reihe von Transaktionen
  • Art des Tax Rulings
  • VP-Festlegung zugrunde gelegter Kriterien und Verfahren

Der Informationsaustausch soll gem. RefE künftig auch Vorabverständigungen mit Drittstaaten umfassen, sofern die Weitergabe durch das entsprechende Steuerabkommen nicht untersagt bleibt. Sollte der Austausch den abkommensrechtlichen Vereinbarungen widersprechen, so sollen stattdessen Informationen aus dem der Vorabverständigung zugrundeliegenden Antrag ausgetauscht werden.

Inhaltliche Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes (§ 1 Abs. 1 AStG-E neuer Satz 5)

  • Das Verständnis des in den DBA’s enthaltenen Fremdvergleichsgrundsatzes soll sich künftig ausschließlich nach dem deutschen AStG richten.
  • Bisherige Rechtslage (Abkommensrecht): Beurteilungskriterium ist lediglich die Angemessenheit des Verrechnungspreises und nicht primär dessen rechtlicher Grund. Abweichungen von diesem Grundsatz sind nur durch eine „Treaty Override“-Regelung möglich, welche nun durch die Änderung des innerstaatlichen Gesetzes geschaffen werden soll.
  • Erwartete Auswirkungen: Anstelle der originären Angemessenheit des Verrechnungspreises sollen künftig bereits die wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen grenzüberschreitende Geschäfte zwischen nahestehenden Personen abgeschlossen werden, die Basis für eine Einkünftekorrektur bilden. Dadurch könnte sich der argumentative Austausch zwischen der Finanzverwaltung und dem Steuerpflichtigen anlässlich steuerlicher Außenprüfungen auf den „Grund für das Zustandekommen“ eines Geschäftes richten, anstelle ausschließlich auf Angemessenheit der vereinbarten Preise.
  • Durch den geplanten neuen § 1 Abs. 6 AStG-E schafft sich die Finanzverwaltung die Rechtsgrundlage für den Erlass einer so genannten Fremdvergleichsverordnung, welche mutmaßlich die Verwaltungsauffassung zur Interpretation des Fremdvergleichsgrundsatzes manifestieren wird.

Verpflichtende Abgabe eines Country-by-Country-Reportings (CbCR) (künftig § 138a AO)

In Anlehnung an die Empfehlungen der OECD zum BEPS-Aktionspunkt 13 werden Unternehmen in Deutschland künftig zur Abgabe eines CbCR für Wirtschaftsjahre, die ab dem 1.1.2016 beginnen, verpflichtet.

  • Voraussetzungen: Inländische Unternehmen sollen zur Übermittlung des CbCR in Deutschland verpflichtet sein, sofern
    • der Konzernabschluss mindestens ein Unternehmen oder eine Betriebsstätte im Ausland umfasst,
    • die im Konzernabschluss ausgewiesenen, konsolidierten Umsatzerlöse im vorangegangenen Wirtschaftsjahr (in Übereinstimmung mit den OECD-Empfehlungen) mindestens 750 Mio. Euro betragen.
  • Verantwortliches Unternehmen: Zur Erstellung des CbCR ist die inländische Konzernobergesellschaft verpflichtet. Ist die Konzernobergesellschaft im Ausland ansässig und versäumt diese die Übermittlung des CbCR, so überträgt sich die Erstellungsverpflichtung auf jede inländische Konzerngesellschaft bzw. Betriebsstätte gleichermaßen (Secondary Mechanism).
  • Das CbCR beinhaltet in Anlehnung an die OECD-Empfehlungen obligatorisch u.a. Angaben zu Umsatzerlösen und sonstigen Erträgen, EBT (Ergebnis vor Steuern), gezahlten Ertragsteuern sowie gezeichnetem Kapital und Gewinnrücklagen.

Zeitnahe Dokumentation: Der CbCR ist spätestens ein Jahr nach Ablauf des dem CbCR zugrundeliegenden Wirtschaftsjahres an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln!