Abgrenzung Arbeitnehmer und echter Unternehmer

Die Frage nach der Definition des Arbeitnehmerbergriffs spielt aktuell eine große Rolle in Betriebsprüfungen sowie in geplanten Gesetzesänderungen und ist nach wie vor mit erheblicher Rechtsunsicherheit belastet. Im Vordergrund steht die Frage nach der Abgrenzung von Arbeitsverträgen gegenüber Werk- und Dienstverträgen. Häufig kam es in der Vergangenheit vor, dass Vertragsverhältnisse als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung durchgeführt worden sind. Diese Rechtsunsicherheit soll durch neue gesetzliche Regelungen beseitigt werden.

Künftig sollen die Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes auf die verdeckte Arbeitnehmerüberlassung erweitert werden. § 611a soll neu in das BGB eingeführt werden. Der Gesetzgeber unternimmt damit erstmals den Versuch, den Arbeitnehmerbegriff gesetzlich zu definieren. Danach soll ein Arbeitsvertrag vorliegen, wenn es sich bei den aufgrund eines Vertrags zugesagten Leistungen um Arbeitsleistungen handelt. Arbeitsleistungen erbringt, wer Dienste erbringt und dabei in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und Weisungen unterliegt. Entscheidend sind die Eingliederung und die Weisungsgebundenheit. Sollten sich der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung widersprechen, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses entscheidend.

Ob mit der Einführung des § 611a BGB das gesetzgeberische Ziel der erhöhten Rechtssicherheit erreicht werden kann, erscheint zweifelhaft. Der Einzelfall wird wie bisher anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu prüfen sein; zuletzt bestätigt durch das Urteil des BFH vom 18.6.2015 (VI R 77/12).

Steuerrechtlich sind nach wie vor die Bestimmungen des § 1 LStDV maßgebend. Um dessen Voraussetzungen zu prüfen, sind die vom BFH entwickelten Indizien heranzuziehen. Eine Arbeitnehmereigenschaft aber schon allein deshalb anzunehmen oder abzulehnen, weil lediglich einer dieser Anhaltspunkte vorliegt, ist rechtsfehlerhaft. Alle maßgeblichen Umstände müssen in eine Gesamtwürdigung miteinbezogen werden. Gegen ein lohnsteuerrechtliches Beschäftigungsverhältnis spricht u. a. eine vertragliche Vereinbarung, wonach die Vergütung auf Erfolgsbasis gezahlt wird. Hierbei wird das Arbeitsergebnis und nicht die Arbeitskraft berücksichtigt, was eher für einen Werk- oder Dienstvertrag spricht. Unternehmerisches Auftreten am Markt, die Tätigkeit für verschiedene Auftraggeber und eine nur sehr schwache bis hin zu gar keiner Zusammenarbeit mit Arbeitnehmern oder anderen Beauftragten des Auftraggebers sprechen nicht zuletzt gegen die Arbeitnehmereigenschaft.

Sozialversicherungsrechtlich sind die Bestimmungen des § 7 Abs. 1 SGB IV maßgebend. Danach wird der Begriff der „Beschäftigung“ als „nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“ definiert. Daraus folgt, dass nicht alle Beschäftigungsverhältnisse, welche regelmäßig an den Begriff der „Versicherungspflicht“ gebunden sind, zugleich Arbeitsverhältnisse im Sinne des Arbeitsrechts sind, weshalb eine Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft steuerrechtlich, sozialversicherungsrechtlich und arbeitsrechtlich jeweils unabhängig voneinander zu erfolgen hat. Die durch Richterrecht entwickelten arbeitsrechtlichen Abgrenzungskriterien werden jedoch für die Prüfung der Versicherungspflicht herangezogen. Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung spricht z. B. die persönliche Abhängigkeit des Beauftragten von seinem Auftraggeber. Weitere Indizien sind die Weisungsgebundenheit, Berichterstattungspflicht und die Verpflichtung, die von dem Auftraggeber zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zu nutzen. Eine eigene Betriebsstätte spricht u. a. für eine selbstständige Tätigkeit.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass nach wie vor eine Gesamtabwägung und Beurteilung des Einzelfalls anhand der in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien erforderlich ist, und zwar aus arbeitsrechtlicher, steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Sicht. Ein Antrag auf Statusfeststellung nach § 7a SGB IV bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund sollte im Vorfeld immer erwogen werden, um eine Auskunft über den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Beschäftigten zu erhalten.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2016. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.