Neue Auslegungshilfe zur Anwendung des AOA bei der Gewinnabgrenzung für Betriebsstätten

27.03.2017 – Mit Einführung des § 1 Absatz 5 AStG (wirksam für Wirtschaftsjahre ab 2013) und der zugehörigen Verordnung (BsGaV – wirksam für Wj. ab 2015) hat Deutschland eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung des von der OECD befürworteten Gewinnabgrenzungsmaßstabs (Authorized OECD Approach, kurz: „AOA“) zwischen Stammhaus und Betriebsstätte eingenommen.

Dieser hat zum Ziel, Betriebsstätten in Bezug auf die steuerliche Gewinnermittlung mit Tochtergesellschaften gleichzustellen. Analog zur Bestimmung der Fremdüblichkeit von Verrechnungspreisen zwischen nahestehenden Personen im Sinne des AStG wird nach dem AOA untersucht, welche Funktionen und Risiken (F&R) eine Betriebsstätte übernommen hat, um ihr einen sachgerechten Anteil am Gesamtergebnis des Unternehmens zuzuordnen.

Nach der gesetzlichen Kodifizierung des AOA in Deutschland sind am 22.12.2016 die zugehörigen Verwaltungsgrundsätze (BsGa-VWG) veröffentlicht worden. Hierbei handelt es sich um eine von der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellte umfassende Auslegungshilfe, welche die Steuerpflichtigen bei der Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte unterstützen soll.

Damit ist der dreigliedrige Regelungsrahmen aus Gesetz, Verordnung und Verwaltungsgrundsätzen nunmehr vollständig, sodass Steuerpflichtige die AOA-Grundsätze vollumfänglich berücksichtigen müssen. Ein Rückgriff auf die bisher geltenden Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze 1999 wird nur noch in Ausnahmefällen, z. B. wenn ein beteiligter Staat den AOA national nicht umgesetzt hat, möglich sein. Die veröffentlichten BsGa-VWG geben u. a. wertvolle Hinweise zu praktischen Fragen, die durch die Umstellung auf die neuen Erfordernisse entstehen:

Präzisierung der Aufzeichnungspflichten

Die Übernahme des AOA in deutsches Recht bringt einen erhöhten Dokumentationsaufwand mit sich, unter anderem durch die ab 2015 verpflichtende Erstellung einer separaten Hilfs- und Nebenrechnung (HuNR) zur Gewinnermittlung der Betriebsstätte (siehe RBS Steuer-Newsletter 5/2014).

Die BsGa-VWG präzisieren die Aufzeichnungspflichten, deren Kern darin besteht, die wirtschaftlichen Aktivitäten und die Aufteilung von Personalfunktionen zwischen der Bs. und ihrem Stammhaus darzulegen. Daraus folgt die steuerliche Zuordnung wirtschaftlicher (insb. immaterieller) Werte und die Identifizierung fiktiver Geschäftsvorfälle (sogen. Dealings), welche die Basis für die Erstellung der HuNR durch den Steuerpflichtigen bildet.

Präzisierungen zu Ausnahmen vom AOA

Die BsGa-VWG enthalten ferner von der Praxis mit Spannung erwartete Präzisierungen zum Anwendungsbereich des AOA. Diesbezüglich legen sie der Finanzverwaltung einige Billigkeitsmaßnahmen nahe, sofern die Zuordnungsentscheidungen im ausländischen Staat nicht dem AOA entsprechen. Für derartige Sachverhalte enthalten die BsGa-VWG allerdings auch eine einschränkende (!) Auslegung der sogenannten Escape-Klausel, wonach auf eine Anwendung des AOA verzichtet werden kann, soweit diese nachweislich zu Doppelbesteuerungen führt.

Ferner wird aufgrund der sukzessiven Reihenfolge der Einführung des AOA in deutsches Recht geregelt, welche Bestimmungen bereits ab 2013 anzuwenden sind und inwieweit im Zeitraum 2013/2014 noch auf die alten Verwaltungsgrundsätze zurückgegriffen werden kann. Empfehlenswert (und zulässig) ist die rückwirkende Anwendung der Regelungen der BsGaV auch für die „AOA-gerechte“ Beurteilung von Sachverhalten, die vor ihrem Inkrafttreten verwirklicht wurden.

Stellungnahme zu steuerlichen Folgen der erstmaligen Anwendung

Schließlich nehmen die BsGa-VWG ausführlich Stellung zu der Frage, ob eine allein aufgrund des AOA notwendig werdende Neuzuordnung von Vermögensgegenständen zu steuerlichen Folgen führen kann, insbesondere zu einer Entstrickungsbesteuerung (z. B. bei geänderter Zuordnung eines bisher dem inländischen Stammhaus zuzurechnenden Gegenstands an eine ausländische Betriebsstätte). Die BsGa-VWG bejahen diese steuerliche Folge grundsätzlich, sehen aber gleichzeitig mehrere Formen von Billigkeitsmaßnahmen vor, die teilweise abhängig sind von der steuerlichen Behandlung im Ausland. Ein Besteuerungsverzicht oder eine Stundung ist nur auf Antrag des Steuerpflichtigen möglich.

Handlungsempfehlung

Die nunmehr veröffentlichten Verwaltungsgrundsätze erläutern die Sichtweise der Finanzverwaltung in Bezug auf die Umsetzung des AOA. In der konkreten praktischen Anwendung bleiben jedoch noch viele Fragen offen. Aufgrund der nun verwaltungsseitig abgeschlossenen Positionierung zum AOA sind Unternehmen gehalten, spätestens jetzt zu prüfen, ob sie mit ihren Auslandsaktivitäten in den Anwendungsbereich des AOA fallen, und ggf. diesen, samt der damit verbundenen Dokumentationspflichten, zu implementieren.

Hinweis: Besteuerungskonflikte bei der Gewinnaufteilung zwischen Betriebsstätte und Stammhaus können insbesondere in Staaten auftreten, die den AOA noch nicht in nationales Recht übernommen haben. Unsere Experten von TP@Mazars unterstützen Sie gern bei der Implementierung des AOA unter besonderer Berücksichtigung der Sichtweise ausländischer Finanzverwaltungen.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2017. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.