Grenzüberschreitende Steuerstrukturen mit UK-Bezug

Nach unserer Einschätzung kann ein Austritt Großbritanniens aus der EU, der nicht durch eine Zugehörigkeit zum EWR abgemildert wird, in ertragsteuerlicher Hinsicht insbesondere auch Auswirkungen auf grenzüberschreitende Steuerstrukturen haben.

Denn es existiert ein in diesen Fällen einschlägiges EU-Richtlinienrecht, das zur Schaffung eines einheitlichen Binnenmarkts steuerliche Erleichterungen z. B. in Form von Stundungen oder der Vermeidung einer Mehrfachbesteuerung vorsieht. Flankiert werden diese, in das jeweilige nationale Steuerrecht der Mitgliedstaaten transformierten Regelungen durch die Rechtsprechung des EuGH, der Konformität nationalen Rechts folgend mit EU-Recht überwacht. Die daraus resultierenden EU-Präferenzen gehen dabei meist über den in Doppelbesteuerungabkommen (DBAs) üblicherweise geregelten Umfang hinaus. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang in erster Linie die sogenannte

Gemeinschaftsrecht wirkt sich auch in anderer Weise begünstigend aus:

  • Im Fall des Wegzugs natürlicher Personen innerhalb des EU-/EWR-Raumes werden trotz Verwirklichung von Entstrickungstatbeständen nach § 6 Abs. 5-7 AStG Steuern zunächst gestundet und erst dann erhoben, wenn der Steuerpflichtige durch tatsächliche Veräußerung Liquidität erlangt.
     
  • Durch § 8 Abs. 2 AStG wurde dem EuGH-Urteil in der Sache Cadbury-Schweppes Rechnung getragen, wonach eine nationale Hinzurechnungsbesteuerung im Rahmen von Mißbrauchsvermeidungsnormen nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie sich gegen künstliche Gestaltungen richtet und dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit des Gegenbeweises „wirklicher wirtschaftlicher Tätigkeit“ in Form eines Motivtests eröffnet ist. Dieser steuerlich relevante Entlastungsbeweis kann nach § 8 Abs. 2 AStG allerdings nur durch solche Gesellschaften geführt werden, die ihren Sitz in der EU oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens haben.
     
  • Ein EU-Vertragsverletzungsverfahren führte schließlich zur Schaffung der Erstattungsvorschrift in § 32 Abs. 5 KStG. Danach können ausländische, in der EU oder einem EWR-Staat ansässige Kapitalgesellschaften, die von ihren inländischen Tochtergesellschaften Dividenden erhalten haben, in bestimmten Fällen eine Definitivbesteuerung von Streubesitzdividenden – allerdings nur für vergangene Zeiträume einer Ungleichbehandlung gegenüber in Deutschland ansässigen Kapitalgesellschaften – vermeiden.

Bei einem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU und gleichzeitigem Nichteintritt in den EWR drohen also diesbezüglich steuerliche Nachteile – soweit solche Fälle nicht durch vergleichbar gestaltetes Abkommensrecht (in Form eines DBA) aufgefangen werden. Was wären also die konkreten steuerlichen Folgen, wenn das Vereinigte Königreich als Ergebnis der Austrittsverhandlungen nicht mehr EU-Mitglied und auch kein EWR-Staat wäre?

Alle Anknüpfungen des deutschen Steuerrechts an Tatbestände, die beteiligte Rechtsträger voraussetzen, die in der EU oder im EWR ansässig sind, laufen in diesem Fall in der Regel gleichsam ins Leere.