Brexit – Auswirkungen auf internationale Steuergestaltung

20.07.2016 – Marcus von Goldacker, Partner am Standort München und Mitglied des Brexit-Experten-Teams, informiert Sie über internationale Steuergestaltung im Brexit-Fall:

Mögliche steuerliche Konsequenzen eines Austritts Großbritanniens aus der EU auf internationale Konzerne

Obwohl die direkten Steuern eine Angelegenheit der einzelnen Mitgliedstaaten sind, existiert eine einschlägige EU-Gesetzgebung in Form von EU-Richtlinien und staatlichen Beihilferegelungen, die Großbritannien als EU-Staat zu erfüllen hat.

Diese EU-Richtlinien wirken sich derzeit positiv auf die steuerliche Position von internationalen Konzernen aus. Bei einem Austritt Großbritanniens aus der EU wären die nachfolgend genannten EU-Richtlinien nicht mehr anwendbar:

1. Fusionsrichtlinie (UmwStG) 

Im Falle von Fusionen, bei denen ein Unternehmen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten zu einem oder mehrerenUnternehmen in einem anderen EU-Mitgliedstaat überträgt, gewährt die Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen eine Stundung der Steuern, die auf die stillen Reserven entfallen.

2. Mutter-Tochter-Richtlinie

Die Mutter-Tochter-Richtlinie gewährt eine Befreiung von der Kapitalertrag- und Quellensteuer auf Dividendenzahlungen, die zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener EU-Mitgliedstaaten gezahlt werden. Damit soll grundsätzlich eine Mehrfachbesteuerung grenzüberschreitend gezahlter Dividenden zwischen Tochter- und Muttergesellschaften vermieden werden. Der nationale Gesetzgeber hat die EU-Vorgaben mit § 43b EStG i. V. m. § 50d EStG umgesetzt.

3. Zins- und Lizenzrichtlinie

Unter bestimmten Voraussetzungen gewährt die EU-Richtlinie eine Befreiung vom Quellensteuerabzug auf Zinszahlungen und Lizenzgebühren, die innerhalb eines europäischen Konzerns grenzüberschreitend geleistet werden. Die Richtlinie schreibt vor, dass im Herkunftsland der Zahlung keinerlei Steuern, insbesondere keine Quellensteuern erhoben werden dürfen. Folglich dürfen Zinszahlungen und Lizenzgebühren nur im Ansässigkeitsstaat des Empfängers besteuert werden. Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte in § 50g EStG.

4. Richtlinie über die Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der Besteuerung

Diese Richtlinie ermöglicht den automatischen Austausch über (Steuer-)Informationen zwischen den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten im Rahmen des von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entwickelten Common Reporting Standard (CRS). Im Vereinigten Königreich ist der CRS am 1. Januar 2016 in Kraft getreten.

Im Falle einer Entscheidung der Briten am 23. Juni 2016 für den EU-Austritt wäre Großbritannien formal nicht mehr an diese EU-Richtlinien gebunden. Inwieweit Großbritannien allerdings daran ein Interesse haben wird oder ob doch einige EU-Harmonisierungen beibehalten werden, bleibt abzuwarten. Es wäre jedoch denkbar, dass Großbritannien die höhere Flexibilität zum Anlass für verschiedene steuerliche Änderungen nutzt (z. B. Wegzugsbesteuerung – Entstrickungstatbestand Sitzverlegung bei Kapitalgesellschaften). Bei einem Austritt Großbritanniens aus der EU würden innerhalb von Europa wieder verstärkt die Regelungen des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens, insbesondere hinsichtlich der Quellensteuer, Anwendung finden. Allerdings wäre der abkommensrechtliche Schutz der Doppelbesteuerungsabkommen weniger umfangreich als nach den EU-Richtlinien.

Weiterhin wären deutsche Unternehmen mit Bezug zu Großbritannien nicht mehr in der Lage, bestimmte Erleichterungen in Anspruch zu nehmen, und sollten daher zeitnah entsprechende Vorkehrungen treffen. Im Folgenden haben wir einige Beispiele aufgeführt:

  • Hinzurechnungsbesteuerung 
    Wegfall der Möglichkeit des Motivtests (§ 8 Abs. 2 AStG) (Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit für EU- und EWR-Gesellschaften)
  • Umwandlungssteuerrecht
    Einschränkung von steuerfreien internationalen Reorganisationen (siehe insbesondere § 1 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG)
  • Erstattung von Kapitalertragsteuer 
    Wegfall der Erstattungsmöglichkeit für Kapitalertragsteuer auf Streubesitzdividenden unter bestimmten Voraussetzungen (§ 32 Abs. 5 EStG)

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