Kein Gutglaubensschutz an das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs im Festsetzungsverfahren

Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung muss u. a. die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten. Diese Voraussetzung ist nach Ansicht des BFH (Urteil vom 22.7.2015, V R 23/14) nur dann erfüllt, wenn der leistende Unternehmer unter der angegebenen Anschrift geschäftliche Aktivitäten entfaltet. Ohne entsprechende Rechnungsangaben scheidet ein Vorsteuerabzug demnach selbst für den gutgläubigen Leistungsempfänger aus.

Der BFH hat im Streitfall der Klägerin den Vorsteuerabzug aus einer Lieferantenrechnung versagt, weil der Lieferant unter der Rechnungsadresse nur postalisch erreichbar war, aber dort keine wirtschaftliche Aktivität entfaltete. Das Merkmal „vollständige Anschrift“ in § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG erfülle „nur die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet“.

Mit dieser strengen Sichtweise widerspricht der BFH der Verwaltungsmeinung (Abschn. 14.5 Abs. 2 Satz 3 UStAE), nach der die Angabe eines Postfaches oder einer Großkundenadresse ausreichend ist. Damit hält er auch an seiner bisherigen Rechtsprechung (Urteil v. 19.4.2007, V R 48/04), nach der ein Briefkastensitz mit lediglich postalischer Erreichbarkeit als Rechnungsanschrift ausreichend sein könne, ausdrücklich nicht mehr fest.

Die Finanzverwaltung hat beschlossen, diese Entscheidung in Kürze im Bundessteuerblatt Teil II zu veröffentlichen. Damit werden zugleich die Finanzämter diese Entscheidung allgemein anwenden.

Somit dürften künftig Rechnungen, die lediglich eine Postfachadresse (des Leistungsempfängers und/oder des leistenden Unternehmers) beinhalten, nicht mehr zum Vorsteuerabzug berechtigen. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung in diesem Zusammenhang für die Vergangenheit eine praxisgerechte Lösung erlassen wird.

Die Bundessteuerberaterkammer hat sich vor diesem Hintergrund an das BMF gewandt und bittet um zügige Klärung dieser offenen Fragen.

Kontakt

Christoph Mendel
Tel: +49 40 288 01-3171

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2016. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.