Steueränderungsgesetz 2015: wesentliche Änderungen

Das Steueränderungsgesetz 2015, über dessen Inhalt wir teilweise in unserem letzten Newsletter 3/2015 berichtet haben, ist mittlerweile im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl. 2015 I S. 1843) und am 3.11.2015 in Kraft getreten. Die nachfolgenden Änderungen sind, soweit ein hiervon abweichender Hinweis fehlt, ab dem Tag der Verkündung wirksam.

1. Steuerpolitisch motivierte Erleichterungen/Verschärfungen

Wesentlich sind zunächst zwei steuerpolitisch motivierte Änderungen:

Erleichterung beim Verlusterhalt (Körperschaftsteuer)

Die Erweiterung der Konzernsteuerklausel im Rahmen der Verlustuntergangsvorschrift für Anteilsübertragungen (§ 8c KStG) wurde bereits im Newsletter 3/2015 vorgestellt. Die bisherige Sichtweise der Verwaltung wird in Teilen korrigiert und der Anwendungsbereich der Konzernklausel (§ 8c Abs. 1 S. 5 KStG) auch auf die Fälle erweitert, in denen eine Konzernspitze als Erwerber oder Veräußerer an der Transaktion beteiligt ist. Als Konzernspitze kommen nunmehr auch juristische Personen ohne Anteilseigner (wie Stiftungen oder juristische Personen des öffentlichen Rechts) sowie Personengesellschaften in Betracht. Die Erweiterung gilt rückwirkend ab Inkrafttreten der Konzernklausel am 1.1.2010.

Wir empfehlen die Prüfung und ggf. Geltendmachung von Rückerstattungsansprüchen gegenüber der Finanzverwaltung, soweit aufgrund der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung nicht genutzte Verluste untergegangen sind. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass auch für Altfälle (d. h. vor dem 1.1.2010 verwirklichte Sachverhalte) derzeit zwei Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof zur Reichweite der Konzernklausel anhängig sind (Az: I R 79/11 und I R 16/15). Die entsprechenden Bescheide sind unter Verweis auf die anhängigen Verfahren vor dem BFH offenzuhalten.

Verschärfung im Umwandlungssteuerrecht

Die neu eingeführte Begrenzung von anderen Gegenleistungen als der Gewährung von Gesellschaftsanteilen bei Einbringungen nach dem Umwandlungssteuergesetz ist bereits im Newsletter 3/2015 als eine der wichtigen neuen Verschärfungen dargestellt worden. Sie erschwert z. B. den Wertausgleich bei größeren Joint Ventures.

Der Gesetzgeber setzt jetzt bei allen Einbringungstatbeständen einheitlich relativ niedrige Grenzen für sonstige Gegenleistungen (Ausgleichszahlungen, Darlehen und Ähnliches) an, die bislang bis zur Höhe des Buchwerts des eingebrachten Vermögens zulässig waren. Die Grenze wird jetzt bei 25 % des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens gezogen, wobei auch ein Freibetrag von 500.000 Euro – höchstens jedoch der Buchwert des eingebrachten Vermögens gewährt wird. Diese absolute Freibetragsgrenze ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens erhöht worden (sie betrug ursprünglich 300.000 Euro). Soweit die genannten Grenzen überschritten werden, kommt es zu einer teilweisen Aufdeckung der stillen Reserven beim Einbringenden. Die neuen Regelungen gelten für Umwandlungen ab dem 1.1.2015.

Es wird mit einem erläuternden Schreiben des Bundesfinanzministeriums zur Handhabung der neuen Grenzen gerechnet. Soweit zukünftig Ausweichgestaltungen gewählt werden sollten, um auf andere Weise steuerfrei Liquidität an den Einbringenden zu transferieren (z. B. über Rückführungen aus dem steuerlichen Einlagekonto der aufnehmenden Gesellschaft), ist das Stellen einer verbindlichen Auskunft bei der Finanzverwaltung anzuraten.

Weitere Erleichterung

Erleichterung beim Investitionsabzugsbetrag (§ 7g EStG)

Zu nennen ist ferner eine Erleichterung bei der Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags bei der künftigen Herstellung oder Anschaffung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens: Der Steuerpflichtige muss seine Investitionsabsicht nicht mehr darlegen und das begünstigte Wirtschaftsgut nicht mehr nach seiner Funktion benennen. Ausreichend ist, die Summen und Höhen der Abzugsbeträge zu übermitteln. § 7g EStG n. F. erlaubt somit Steuerpflichtigen, pauschal Investitionsabzugsbeträge zu bilden. Neu eingeführt wird die Verpflichtung, die gebildeten Investitionsabzugsbeträge elektronisch zu melden. Die Regelung gilt für alle nach dem 31.12.2015 endenden Wirtschaftsjahre.

2. Änderungen in Reaktion auf Rechtsprechung/EU-Verfahren

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Änderungen, die in Reaktion auf die Rechtsprechung des BFH und des EuGH oder Verfahren der EU-Kommission vorgenommen wurden. Hier sind insbesondere zu nennen:

Reinvestition in ausländische Betriebsstätten (Einkommensteuer)

§ 6b EStG wird europarechtskonform ausgestaltet, wobei der deutsche Gesetzgeber eine von der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vorgezeichnete „Minimallösung“ gewählt hat: das Steuerstundungsmodell.

§ 6b EStG erlaubt die Übertragung „stiller Reserven“ (Differenz zwischen Buchwert und Kaufpreis), die bei der Veräußerung von Anlagevermögen eines Betriebs „gehoben werden“. Ein durch die Veräußerung eines Wirtschaftsguts entstehender Veräußerungsgewinn kann auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden. Wird dieses nicht sofort hergestellt oder angeschafft, kann auch eine entsprechende steuermindernde Rücklage gebildet werden.

Der Europäische Gerichtshof hatte geurteilt, dass die bisherige Rechtslage, nach der diese Vorschrift bei Übertragung auf ein Ersatzwirtschaftsgut, das zum Anlagevermögen einer Betriebsstätte im EU/EWR-Raum gehört, nicht anwendbar ist, unionsrechtswidrig ist (EuGH, Urteil vom 16.4.2015, C-591/13). Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorschrift nun mittels eines optionalen Steuerstundungsmodells unionsrechtskonform ausgestaltet: Bei Herstellung oder Anschaffung von Ersatzwirtschaftsgütern, die einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, ist zwar weiterhin nicht – wie im Inlandsfall – eine Übertragung von stillen Reserven auf diese möglich. Die Besteuerung des Veräußerungsgewinns aus der Veräußerung von Anlagevermögen kann aber bei einer beabsichtigten Investition im EU/EWR-Raum auf Antrag auf einen Zeitraum von fünf Jahren – zinsfrei – verteilt werden (§ 6b Absatz 2a EStG n. F.). Ein Antrag ist wie in Inlandsfällen im Wirtschaftsjahr der Veräußerung zu stellen, spätestens mit Einreichung der Steuererklärung für das betreffende Wirtschaftsjahr. Die neue Rechtslage gilt für alle noch offenen Fälle.

Grunderwerbsteuer

Bei der Grunderwerbsteuer sind zwei wesentliche Anpassungen zu beachten:

  • Sichtweise der Verwaltung bei Änderung im Gesellschafterbestand
    Im Grunderwerbsteuerrecht wird bei mittelbaren Anteilsübertragungen an Personengesellschaften die Sichtweise der Finanzverwaltung im Gesetz festgeschrieben, nachdem der Bundesfinanzhof zuvor eine gegenteilige Position eingenommen hatte (BFH, Urteil v. 24.4.2013, II R 17/10). Ausgangspunkt ist die Regelung im Grunderwerbsteuergesetz, wonach Grunderwerbsteuer anfällt, wenn sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2a GrEStG). Nach der nun ins Gesetz übernommenen Verwaltungsauffassung ist bei mehrstufigen Beteiligungen die 95 %-Grenze allein bei Personengesellschaften durchzurechnen, bei Kapitalgesellschaften hingegen ist auf der Ebene jeder beteiligten Kapitalgesellschaft die 95 %-Grenze zu prüfen. Der BFH hatte entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entschieden, dass auch bei einer Kapitalgesellschaft als unmittelbarer Anteilseignerin der grundbesitzenden Personengesellschaft im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf den wirtschaftlich Berechtigten, den obersten Anteilseigner, abgestellt werden müsse (Durchrechnungsmodell wie bei Personengesellschaften).

Umsetzung der Rechtsprechung des BVerfG zu Bedarfswerten

Zudem wird in Reaktion auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11) die Regelung zur Ersatz- bemessungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht (§ 8 Abs. 2 GrEStG) geändert. Der dortige Verweis auf die Bewertung nach den Bedarfswerten (§§ 138 ff. BewG) wird durch den Verweis auf die auch erbschaftsteuerlich relevanten Grundbesitzwerte (§§ 157 ff. BewG) ersetzt, die regelmäßig den Verkehrswerten entsprechen. Die Regelung ist rückwirkend für Erwerbsvorgänge ab dem 1.1.2009 anzuwenden und betrifft alle noch offenen Bescheide (siehe hierzu im Einzelnen unseren Beitrag im Newsletter 3/2015).

Für noch offene Veranlagungsverfahren ist darauf hinzuweisen, dass die verwaltungsseitig gebotene Verböserung der angefochtenen Steuerfestsetzung (durch Zugrundelegung der neuen, höheren Bemessungsgrundlage) durch Rücknahme des Einspruchs verhindert werden kann.

Änderung bei der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand

Zu dieser wesentlichen Änderung siehe den Beitrag in diesem Newsletter.

Weitere Anpassungen im Umsatzsteuerrecht:

  • Entstehung Steuerschuld bei unrichtigem Steuerausweis
    Weist eine Rechnung eine unrichtige (zu hohe) Umsatzsteuer aus, so wird der Mehrbetrag dennoch geschuldet (§ 14c Abs. 1 UStG). Nunmehr wird klargestellt, dass dieser Mehrbetrag erst mit Rechnungserteilung geschuldet ist und nicht schon im Zeitpunkt der Leistungserbringung entsteht. Damit wird die jüngere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nachvollzogen. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber nicht, wenn der Unternehmer die nicht geschuldete Steuer schon im Voranmeldezeitraum der Leistungserbringung (bei Ist-Versteuerung: der Entgeltvereinnahmung) anmeldet.
  • Einbeziehung von Betriebsvorrichtungen in das Reverse-Charge-Verfahren.
    Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei Betriebsvorrichtungen nicht um Bauwerke im Sinne des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG, sodass das Reverse- Charge-Verfahren insofern keine Anwendung findet. Wegen der befürchteten Steuerausfälle und Abgrenzungsschwierigkeiten wird die bisherige, der Rechtsprechung des BFH entgegenstehende Auffassung der Finanzverwaltung gesetzlich festgeschrieben. Entsprechend der bisherigen Verwaltungsauffassung wird daher eine weiter gefasste Grundstücksdefinition aus der Mehrwertsteuer- systemrichtlinie in das Gesetz eingefügt (§ 13 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 UStG n. F.), die auch Betriebsvorrichtungen umfassen soll.
  • Einschränkung des Reverse-Charge-Verfahrens bei Leistungsbezug für den nichtunternehmerischen Bereich der öffentlichen Hand
    Die Auffassung der Finanzverwaltung nach dem Umsatzsteueranwendungserlass, die den Bezug von Leistungen für den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts teilweise vom Reverse-Charge-Verfahren ausnimmt, wird nun gesetzlich geregelt. Laut Gesetzesbegründung soll damit auch für den leistenden Unternehmer noch deutlicher werden, dass er und nicht die juristische Person des öffentlichen Rechts die Umsatzsteuer schuldet.
  • Erleichterung von steuerbegünstigten Zuwendungen ins Ausland (Erbschaftsteuer) 
    Eine weitere Änderung betrifft Zuwendungen an im Ausland ansässige Religionsgesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen für kirchliche oder gemeinnützige Zwecke: Als Reaktion auf ein von der EU-Kommission eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren wird die Erbschaft-/Schenkungsteuerbefreiung nach der Neuregelung auch bei Zuwendungen an Empfänger in EU- und Drittstaaten unter grundsätzlich denselben Voraussetzungen gewährt wie bei inländischen Zuwendungen. Anders als bisher ist insbesondere das Vorliegen einer Gegenseitigkeitserklärung, in der sich der Sitzstaat des Zuwendungsempfängers zur Steuerbefreiung für Zuwendungen an entsprechende deutsche Zuwendungsempfänger verpflichtet, nicht mehr Voraussetzung für die Steuerbefreiung. Allerdings liegen die Nachweispflichten, dass die ausländische Satzung und tatsächliche Geschäftsführung des ausländischen Zuwendungsempfängers den deutschen Anforderungen entspricht, weiterhin beim Steuerpflichtigen. Zudem wird die Steuerbefreiung an die Bedingung geknüpft, dass der Sitzstaat des Zuwendungsempfängers allgemein Amts- und Betreibungshilfe nach den entsprechenden EU-Richtlinien gewährt. Die Regelung gilt für alle noch offenen Veranlagungen.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2016. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.